Wie aus Weißkohl Sauerkraut wird

von Redaktion

In manchem bayerischen Keller reift derzeit ein wahres Superfood: frisches Sauerkraut, reich an Vitaminen, Ballast- und Mineralstoffen, verdauungsfördernd und kalorienarm. Das milchsaure Vergären des im Herbst geernteten Weißkohls hat in ländlichen Haushalten oft eine lange Tradition, nicht selten werden Rezepte, Werkzeuge und Gärbehälter über Generationen weitergegeben. Das Interesse an dieser alten Methode des Haltbarmachens wächst, Neulinge finden Anleitungen in großer Zahl online und in Büchern.

Doch im Vorteil ist, wer sein Kraut im Verlauf der Gärung gelegentlich von einem „Profi“ begutachten lassen kann. Denn mikrobiologisch betrachtet sind die Reifungsprozesse im Weißkohl jedes Mal ein kleines Abenteuer mit ungewissem Ausgang.

Sauerkraut wird traditionell ohne die Hilfe von Starterkulturen hergestellt, also ohne die gezielte Zugabe bestimmter Mikroorganismen. Für die Gärung ist allein die auf dem Kohl natürlich vorkommende Mikroflora entscheidend – und die besteht nicht nur aus erwünschten Milchsäurebakterien, sondern einem bunten Mix aus verschiedensten Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen.

Damit aus dem gehobelten und gestampften Kohl kein schimmliger Matsch, sondern wohlschmeckendes Sauerkraut wird, ist es wichtig, den erwünschten Helfern eine Umgebung zu bieten, in der sie gut wachsen können. Entscheidend dafür ist die Zugabe von Salz und die Reifung unter Luftabschluss.

Damit möglichst wenig Luft im Kohl bleibt, wird er abgedeckt und mit einem Gewicht beschwert. Zudem muss das Kraut stets vollständig mit Salzlake bedeckt sein. In der sauerstoffarmen Umgebung können nun Milchsäurebakterien die im Kraut enthaltenen Kohlenhydrate zu Milchsäure abbauen. Dabei entsteht Kohlendioxid, das aus der Lake aufsteigt.

Spezielle Gärtöpfe aus Steingut lassen entstehende Gase entweichen, ohne dass dabei Luftsauerstoff eindringt. Gleichzeitig sinkt der pH-Wert, das Kraut wird im Laufe der Zeit zunehmend saurer. Das macht das Kraut haltbarer und unterdrückt das Wachstum von Verderbniskeimen und Krankheitserregern. Der gesamte Prozess dauert mehrere Wochen. Dabei entstehen eine Vielzahl von Aromastoffen, auch Vitamin C und B-Vitamine. Auch der Eiweißstoff Histamin bildet sich. Histamin ist typisch für mikrobiell gereifte Lebensmittel und findet sich zum Beispiel auch in Wein oder Hartkäse. Wer mit Kopfschmerzen oder Verdauungsbeschwerden darauf reagiert, sollte Sauerkraut nur in kleinen Mengen zu sich nehmen. Milchsauer vergorenes Kohlgemüse gab es bereits in der Antike.

Früh wurden auch gesundheitlich positive Wirkungen beschrieben, vor allem für die Verdauung und Darmgesundheit. Gleichzeitig war Weißkohl ein preiswertes, nahrhaftes und leicht verfügbares Lebensmittel. So eroberte sich Sauerkraut einen festen Platz in den Küchen der Welt und ist bis heute Bestandteil vieler traditioneller Gerichte. Sie werden mit unterschiedlichen Gewürzen verfeinert, zum Beispiel Kümmel oder Wacholder. Oft wird das kalorienarme Kraut mit fettem Fleisch kombiniert, was den Energiegehalt in die Höhe treibt. Nicht nur für Seefahrer, sondern auch für die europäische Bevölkerung in den Wintermonaten war Sauerkraut ein guter Vitamin-C-Spender in einer Zeit, bevor Zitrusfrüchte oder Paprika für jedermann erhältlich waren. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts begann die industrielle Herstellung von Sauerkraut. Heute wird es in großem Stil in luftabschließbaren Gärsilos produziert.

Für eine erfolgreiche Milchsäuregärung werden dabei gezielt Bakterienkulturen zugegeben, teils auch zusätzliches Vitamin C, das die Lagerfähigkeit verbessert. In den Handel kommen vor allem durch Erhitzen lange haltbar gemachte Dauerkonserven in Dosen oder Folienbeuteln. Am meisten gesunde Inhaltsstoffe stecken jedoch im frischen Sauerkraut. Wer es nicht selbst herstellt, bekommt es etwa in Hofläden, auf Wochenmärkten oder in Reformhäusern.

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