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Pflichtteilsanspruch der Tochter

von Redaktion

Aus Sicht der Erbschaftsteuer gibt es – allerdings nur auf den ersten Blick – nichts einzuwenden, weil Ihr Nachlassvermögen im Wesentlichen aus dem Familienwohnheim besteht, das in beiden Erbfällen bei zehnjährigem Behalten steuerfrei bleibt. Diese Steuerbefreiung wäre jedoch gefährdet, wenn das Haus zum Beispiel aufgrund des „Störfalls Pflichtteil“ vor Ablauf der Zehnjahresfrist verkauft oder vermietet werden müsste. Dann hätte Ihr Sohn im zweiten Todesfall (durch den er das Haus im Wert von 560 000 Euro erwirbt) den seinen Freibetrag von 400 000 Euro übersteigenden Teil seines Erbes mit elf Prozent zu versteuern. Zur Steuer kommen noch die Pflichtteilszahlungen aus beiden Erbfällen.

Die Pflichtteilsquote entspricht der Hälfte dessen, was man – ohne Testament – auf der Basis der gesetzlichen Erbfolge erhalten würde. Zu zahlen hat den Pflichtteil der Erbe, in Ihrem Fall (aufgrund Berliner Testaments) also im ersten Erbfall der überlebende Ehegatte, im zweiten Todesfall der Sohn als Schlusserbe. Beim Tod des erstversterbenden Elternteils (dessen Vermögen 280 000 Euro beträgt) errechnet sich bei der maßgeblichen Pflichtteilsquote von 1/8 (die Hälfte der gesetzlichen Quote von 1/4) ein Pflichtteilsanspruch von 35 000 Euro. Im zweiten Todesfall steigt der Pflichtteil der Tochter aber auf 131 250 Euro! Dieser starke Anstieg des Pflichtteilsanspruchs erklärt sich nicht nur daraus, dass die Pflichtteilsquote im zweiten Todesfall 1/4 beträgt (gesetzliche Quote 1/2, hiervon die Hälfte), sondern vor allem daraus, dass sich die Vermögen beider Eltern aufgrund des Berliner Testaments (der Ehegatte wird Alleinerbe) beim länger Lebenden vereinigen; ihm gehört das Haus dann alleine (Wert 560 000 Euro). Abzüglich der 35 000 Euro Pflichtteilschuld beträgt der bereinigte Nachlass des überlebenden Gatten, den der Sohn als Schlusserbe erhält, 525 000 Euro. Hieraus hat ihr Sohn 1/4, also 131 250 Euro, an seine Schwester zu bezahlen.

Wenn Ihr Sohn zur Zahlung dieser Schulden das Haus verkaufen oder vermieten müsste, käme (wegen Unterschreitens der Behaltensfrist von zehn Jahren) noch die Erbschaftsteuer aus 125 000 Euro hinzu.

Sie sehen also: das vermeintlich so schöne Berliner Testament birgt ganz erhebliche finanzielle Risiken. Daher sei Ihnen angeraten, gerade zur Vermeidung der hohen Pflichtteilslast über Alternativen (anderes Testament, lebzeitige Überlassung) nachzudenken und sich hierzu fachkundig (Notar oder Fachanwalt) beraten zu lassen. Wenn Sie es geschickt anstellen, fällt weder Steuer noch Pflichtteilszahlung an.

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