Die Jahresend-Rallye fällt wohl aus. Zeitweise drohte der Deutsche Aktienindex (Dax) in der abgelaufenen Woche unter die Marke von 15 000 Zählern zu rutschen. Die Entwicklung glich einer Achterbahnfahrt. Die Schwankungsbreite lag bei 500 Punkten. Am letzten November-Tag ging es runter bis auf 15 015, einen Tag später wieder hoch auf 15 509, bevor sich das Börsenbarometer zum Wochenschluss zunächst zwischen 15 300 und 15 400 Punkten bewegte, aber nach enttäuschenden Zahlen vom US-Arbeitsmarkt unter 15 200 abrutschte.
Nachdem die Pandemie monatelang ignoriert wurde, hat sich Corona in den Köpfen von Börsianern festgesetzt. Hohe Infektionszahlen, unklare Folgen und zunehmende Einschränkungen sind logische Gründe. Die Unsicherheit auf dem Börsenparkett ist immens. „Die Risiken für die Märkte haben unzweifelhaft zugenommen“, stellt Jan Viebig, Chef-Anlagestratege von Oddo BHF, fest. „Die Pandemielage verschärft sich, die Inflationsraten steigen, die Geldpolitik in den USA wird straffer und das Gewinnwachstum der Unternehmen wird im Jahr 2022 abnehmen.“ Dazu gesellen sich die Lieferengpässe.
Skeptisch ist Wieland Staud vom gleichnamigen Analysehaus. Er zieht aus der historischen Entwicklung der Kurse seine Schlüsse, sieht den Dax gar am „Abgrund“. Solange sich das Börsenbarometer über 14 800 Punkten halten könne, „besteht die Chance, dass doch alles irgendwie gut geht“. Die Chance sei aber klein, die Risiken viel höher, dass es bis auf 13 600 Punkte nach unten gehen könnte, so Staud. Damit wären die Jahresgewinne weg.
So schwarz wie Staud malt kaum jemand. Allenthalben sehen Auguren nur zwischenzeitlich Bremsspuren, bevor es bis Mitte und Ende 2022 wieder deutlich nach oben geht. „Die Unternehmen werden von einer Konjunkturerholung und einer robusten Nachfrage profitieren“, sagt Sören Wiedau von der Weberbank. Martin Lück, Anlage-Stratege beim Vermögensverwalter BlackRock in Deutschland, ist zwar vorsichtiger als noch vor wenigen Wochen, aber er rechnet mit einem Anstieg der Indizes in Europa im nächsten Jahr im einstelligen Prozentbereich. Zuversicht verbreiten auch die Experten der DZ Bank. „Kurzfristige Schwankungen werden zwar nicht ausbleiben, echte Konjunktureinbrüche sind aber nicht zu erwarten, denn die Auftragsbücher sind mehr als prall gefüllt“, betont Anlagestratege Sven Striebel.
Zur Stütze dürften die Dividenden werden. Die DekaBank rechnet mit einem Ausschüttungsrekord für 2021: Die 40 Dax-Firmen würden Aktionärinnen und Aktionäre mit 46,5 Milliarden Euro an ihren Gewinnen beteiligen. Während die Zinsen weiter im Keller verharren und Sparanlagen und solide Bundesanleihen nichts abwerfen, eher sogar nach Abzug der Inflationsrate real für Miese sorgen.
ROLF OBERTREIS