Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland ist nach dem Umlageprinzip finanziert. Das bedeutet: Die Arbeitnehmer von heute finanzieren mit ihren Beiträgen die Leistungen an die Rentner. Daran soll sich auch nichts Grundlegendes ändern. Allerdings plant die neue Regierung, einen Kapitalstock von zehn Milliarden Euro aufzubauen, der dazu beitragen soll, das Renten- und Beitragsniveau zu stabilisieren. Außerdem sind Änderungen für Erwerbsunfähige und beim Hinzuverdienst geplant.
Kapitalstock
Zehn Milliarden Euro im Kapitalstock sind zunächst nicht viel. Doch wenn man die Summe als Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung betrachtet, kann sich die Maßnahme auf längere Sicht doch auswirken.
. Was das bedeutet: Für die heutige Generation 50 plus dürfte sich durch die Einrichtung des Fonds – wie immer er auch ausgestaltet sein wird – kaum etwas ändern. Bei Jüngeren bleibt die Entwicklung abzuwarten. Wichtig dabei wäre, ob der Fonds – was bislang nicht vorgesehen ist – für Einzahlungen von Versicherten geöffnet wird. Ob also aus dem Fonds auch individuelle Ansprüche erworben werden können.
Erwerbsminderung
Relativ wenig Beachtung fand die vielleicht klarste Festlegung im Koalitionsvertrag: „Wir wollen Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner im Bestand umsetzen.“ Hintergrund: Von den mehrfach vorgenommenen Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente (EM-Rente), die „Neufällen“ vielfach ein Rentenniveau wie Altersrentnern nach Erreichen der Regelaltersrente sichern, haben „Bestandsfälle“ bislang nicht profitiert. Langjährige Erwerbsgeminderte sind damit von bis zu drei „Verbesserungsrunden“ bei der EM-Rente ausgeschlossen worden.
. Was das bedeutet: Die geplanten Neuerungen werden für viele langjährig Erwerbsgeminderte ein deutliches Rentenplus bedeuten. Es ist zu erwarten, dass dies automatisch und ohne Antragstellung gewährt wird.
Hinzuverdienst
Derzeit ist – Corona-bedingt – für Bezieher eines vorzeitigen Altersruhegeldes ein jährlicher Hinzuverdienst von 46 060 Euro brutto erlaubt – ohne dass die Rente gekürzt wird. Die Ampelkoalition will diese Regelung „entfristen“. Möglicherweise wird danach der aktuelle Betrag auch künftig gelten, wahrscheinlicher ist jedoch, dass dieser jährlich angepasst wird – etwa durch eine Ankopplung an die Entwicklung der Bezugsgröße.
. Was das bedeutet: Die großzügige Regelung zum Hinzuverdienst kann manche Arbeitnehmer in rentennahen Jahrgängen zur Revision ihrer „Ausstiegspläne“ motivieren. Immerhin können nun viele Versicherte gleichzeitig Arbeitsentgelt und die ungekürzte (vorzeitige) Altersrente beziehen. Auf die Weise kann man in kurzer Zeit einige zehntausend Euro zurücklegen, um sich im „frühen Alter“ einige Wunschträume zu erfüllen.
Nachholfaktor
„Wir werden den sogenannten Nachholfaktor in der Rentenberechnung rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktivieren.“
. Was das bedeutet: Die unterbliebene Rentenkürzung von 2021 wird teilweise mit der 2022 rein rechnerisch fälligen Rentenerhöhung verrechnet. Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) steigen die Renten im Westen damit möglicherweise um 4,4 Prozent statt um 5,1 Prozent. Dies betrifft allerdings nicht nur die aktuellen Rentner, sondern auch die kommenden Rentnergenerationen. Denn die jährliche Rentenanpassung sattelt immer auf dem vorher gegebenen aktuellen Rentenwert auf.
Rentenlücke
Die Rente bleibt laut Koalitionsvertrag stabil. Für die meisten reicht sie dennoch nicht für einen finanziell sorgenfreien Ruhestand. Vielen Menschen droht ohne Zusatzvorsorge Armut im Alter.
Das Rentenniveau beträgt derzeit 48 Prozent. Und dabei soll es bleiben. Damit kein Missverständnis auftaucht: Das bedeutet nicht, dass Rentner im Ruhestand 48 Prozent dessen erhalten, was sie vorher als Arbeitnehmer verdient haben. Beim Rentenniveau handelt es sich um eine statistische Messgröße. Doch mehr als 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens dürfte es nur selten geben. Wer früh in Rente geht oder „leere Jahre“ auf seinem Rentenkonto hat, kommt auf weit geringere Werte. Eine verlässliche Information finden Versicherte ab dem Alter von 27 in ihrer Renteninformation.
Wie viel man im Alter braucht, ist natürlich individuell verschieden. Experten setzen den Versorgungsbedarf im Ruhestand auf rund 80 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens an – dieses Ziel erreicht die gesetzliche Rente nimmer.
. Beispiel: Wer als Arbeitnehmer zuletzt in Vollzeitarbeit 2000 Euro netto verdient hat, sollte im Ruhestand möglichst rund 1600 Euro netto zur Verfügung haben. Winkt dann nur eine Altersrente von 1100 Euro (= 55 Prozent), so bleibt eine Rentenlücke von 500 Euro. Bei einem Arbeitseinkommen von 4000 Euro netto fällt die Lücke mit 1000 Euro doppelt so hoch aus. Wer sich im Alter seine Wünsche (Reise, Theater, Restaurant) erfüllen will, muss diese Lücke durch Zusatzvorsorge füllen. Nach dem jüngsten Alterssicherungsbericht der Bundesregierung betreiben 34,5 Prozent der Arbeitnehmer zwischen 25 und 65 jedoch keinerlei zusätzliche Altersvorsorge. Und diejenigen, die Vorsorge betreiben, klotzen vielfach nicht, sondern kleckern nur.
Private Vorsorge
Genauso viel wie Arbeitnehmer selbst als Arbeitnehmeranteil in die gesetzliche Rente einzahlen, sollten sie in ihre zusätzliche Altersvorsorge investieren – und zwar so früh wie möglich. Bei einem Bruttogehalt von 2000 Euro also monatlich 186 Euro, rechnet der Finanzmathematiker und Rentenexperte Werner Siepe vor. Und ergänzt: „Natürlich nur, wer es kann.“ Für die Art der Vorsorge gibt es kein für alle gleichermaßen gültiges Rezept.
. Aktien: „Wer jung ist, sollte neben der gesetzlichen Rente auf aktienbasierte Anlageformen setzen“, so Siepe. Infrage kommen dabei etwa ETF-Sparpläne oder ETF-basierte Versicherungen. ETF-Fonds setzen nicht auf Einzelaktien, sondern auf die Entwicklung ganzer Marktsegmente – etwa auf den Deutschen Aktienindex Dax.
. Riester: „An der Riester-Rente führt für kinderreiche Versicherte kein Weg vorbei“, erklärt der Finanzmathematiker. „Diese Förderung sollte man mitnehmen.“
. Arbeitgeberförderung: Ab Anfang 2022 müssen alle Arbeitgeber, die mit ihren Arbeitnehmern eine betriebliche Altersvorsorge per Entgeltumwandlung abgeschlossen haben, zu den umgewandelten Verträgen 15 Prozent zuschießen. Attraktiv werden die Verträge allerdings nur bei höherer Arbeitgeberbeteiligung. Denn die Firmen sparen schon allein Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 20 Prozent des in Altersvorsorge umgewandelten Lohns ein.
. Ausgleichszahlung: Für die meisten Versicherten ab 50 bietet die gesetzliche Rentenkasse die Chance, freiwillige Zusatzbeiträge zu zahlen. Damit sollen Rentenabschläge bei vorzeitigem Renteneintritt ausgeglichen werden. Praktisch kauft man sich hierdurch zusätzliche Rentenpunkte. Wenn sich Versicherte dann doch gegen einen frühen Renteneintritt entscheiden, sorgen die erworbenen Punkte für ein schönes Rentenplus. Die Rendite dieser freiwilligen Einzahlungen ist deutlich höher als die von herkömmlichen privaten Rentenversicherungen. Inzwischen kann die Ausgleichszahlung ürigens auch monatlich per Dauerauftrag an die Rentenkasse erfolgen.
Mehr Informationen
Das Dossier zum Thema gibt es unter der Fax-Abrufnummer 09001/25 26 65 51 (1 Minute = 0,62 Euro) bis 13. Januar. Oder senden Sie einen mit 0,95 Euro frankierten und adressierten Rückumschlag plus 1,55 Euro in Briefmarken, Stichwort „Rentenlücke“ an: Biallo & Team GmbH, Bahnhofstr. 25, 86938 Schondorf. Oder Sie schicken eine E-Mail an: ratgeber@biallo.de.