Freie Sicht bei Schnee und Eis

von Redaktion

VON MAIK HEITMANN

Wer am Vorabend vergessen hat, die Scheiben abzudecken oder das Auto in die Garage zu fahren, muss bei niedrigen Temperaturen die Scheiben freikratzen und nach Schneefall den Schnee entfernen. Und weil kalte Hände keinen Spaß machen, kratzt so mancher vor dem Losfahren nur ein kleines Guckloch in die vereiste Windschutzscheibe.

Doch das ist nicht ausreichend. Ein solches Bullauge genügt nicht, um den Verkehr im Auge zu behalten. Die Straßenverkehrsordnung sagt dazu: „Wer ein Fahrzeug führt, ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör (…) nicht durch den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden.“ Um diesen Ansprüchen zu genügen, müssen Windschutz- und Heckscheiben ebenso wie die Seitenscheiben von Schnee und Eis befreit werden. Auch Kühlerhaube, Dach und Kofferraum sind abzufegen.

Wer statt der klassischen Variante auf Thermodecken setzt, der sollte bedenken, dass die feuchten Decken – im eiskalten Innenraum des Autos liegend – die Scheiben zusätzlich von innen vereisen lassen. Passiert ein Unfall, so kann zu sparsames Eis- und Schnee-Entfernen Folgen haben. Darauf weist die Versicherung Huk Coburg hin. Es reicht nicht, mit gedrosselter Geschwindigkeit zu fahren und darauf zu hoffen, dass die Scheiben auftauen. Es muss mindestens die für eine Bremsung notwendige Wegstrecke zu überblicken sein.

Wer mit vereisten Scheiben unterwegs ist und auf einen Autofahrer trifft, der ihm die Vorfahrt nimmt, der kommt um eine Mithaftung wohl nicht herum. Das jedenfalls dann, wenn sich herausstellt, dass die schlechte Sicht verantwortlich für den Unfall war. Das Unfallopfer wird also nicht voll entschädigt, sondern muss einen Teil seines Schadens selbst tragen. Das kann speziell bei Personenschäden heikel sein, wenn zum Beispiel das Schmerzensgeld gekürzt wird. Und Autofahrer ohne Vollkasko-Versicherung müssen bei einer Mithaftung einen Teil der Reparaturkosten aus der eigenen Tasche begleichen. Fazit: Egal, wie eilig es ist, die Scheiben müssen eis- und schneefrei sein.

Vom Gebrauch von Heizlüftern ist dennoch abzuraten. Das zeigt ein Fall, der bis zum Bundesgerichtshof ging: Ein Autobesitzer hatte im Winter morgens einen Heizlüfter in einen Pkw seines Arbeitgebers gestellt, um die vereiste Frontscheibe aufzutauen. Dadurch kam es zu Brandschäden am Fahrzeug. Die Privathaftpflichtversicherung des Mannes verweigerte daraufhin die Zahlung mit der Begründung, der Schaden sei „durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs“ entstanden.

Diese sogenannte Benzinklausel kann einen Ausschluss rechtfertigen – in diesem konkreten Fall jedoch nicht.

Die dem Mitarbeiter in Rechnung gestellten knapp 7000 Euro für die Beseitigung der Brandschäden musste in der Folge die Haftpflichtversicherung übernehmen. Der Schaden sei durch den Gebrauch des Lüfters und nicht durch den des Autos entstanden. Zwar habe durch die Enteisung der Fahrtantritt vorbereitet werden sollen – es sei aber nicht gleich losgefahren worden. Somit habe sich nicht das Gebrauchsrisiko des Fahrzeugs, sondern ein Risiko des Heizlüfters realisiert (AZ: IV ZR 120/05).

Artikel 2 von 6