Jedes Jahr werden tausende Menschen bei Verkehrsunfällen verletzt oder getötet. Laut EU-Kommission starben auf den Straßen Europas zuletzt über 25 000 Menschen im Jahr. Die Behörde hält menschliches Versagen für den Auslöser von 90 Prozent der Unfälle. Um mehr Verkehrssicherheit zu gewährleisten, hat die Europäische Union neue Regeln zur technischen Ausstattung von Fahrzeugen beschlossen. Mitte 2022 wird nun zum Beispiel der „Intelligente Geschwindigkeitsassistent“ (ISA) zur Pflicht.
Wie funktioniert ISA?
ISA steht für „Intelligent Speed Assistance“. Es bezeichnet ein System, das Autofahrern dabei helfen soll, die zugelassene Geschwindigkeit einzuhalten. ISA erfasst mithilfe von Kameras Straßenschilder mit Tempobegrenzungen. Es vergleicht diese Daten mit den zugelassenen Höchstgeschwindigkeiten auf Basis von Navigationskarten und Sensoren. Fährt man schneller als erlaubt, macht das System den Fahrer darauf aufmerksam. Das funktioniert durch akustische, optische oder auch haptische Warnungen. Laut ADAC kann zum Beispiel das Gaspedal vibrieren oder sich schwerer nach unten drücken lassen. Autohersteller arbeiten mit Anbietern von Kameras und Karten wie Google zusammen, um die Technik zu entwickeln. Je nach Hersteller kann das System die Motorleistung drosseln und damit auch die Fahrgeschwindigkeit selbsttätig verringern. Die Bremse soll es aber nicht einsetzen können.
Verliert der Autofahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug?
Nein. Die neue Verordnung sieht vor, dass es jederzeit möglich ist, das Assistenzsystem zu ignorieren (zum Beispiel, indem man einfach das Gaspedal stärker durchdrückt) oder es komplett abschaltet. Eine Funktion, die vor allem der ADAC begrüßt. Der Verband hatte im Vorfeld der Reform Bedenken geäußert und sich gegen die Ausrüstungsvorschrift ausgesprochen. Er hält die ISA-Systeme „zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht für ausreichend erprobt und ausgereift“. Startet man sein Fahrzeug neu, wird der Geschwindigkeitsassistent jedes Mal automatisch wieder aktiviert.
Für wen wird das System Pflicht?
ISA wird für alle Fahrzeugtypen (Pkw, Lkw, Busse) ab dem 6. Juli 2022 Pflicht, die neu in den Markt eingeführt werden. Ab dem 7. Juli 2024 müssen dann alle Neuwagen über das System verfügen. Verbraucher, die bereits ein Auto besitzen, müssen es aktuell nicht nachrüsten lassen.
Werden die Daten dokumentiert?
Laut ADAC ist bisher noch nicht bekannt, ob der „Intelligente Geschwindigkeitsassistent“ Daten aufzeichnet oder nicht. „Die Frage ist, wie die Hersteller damit umgehen“, sagt Sprecherin Katrin van Randenborgh. Das sei von Firma zu Firma unterschiedlich. Der ADAC fordert, dass Hersteller für Verbraucher Transparenz schaffen und sie über etwaige Datensammlungen aufklären. Außerdem sollen Verbraucher selbst entscheiden können, ob ihre Daten gespeichert würden.
Welche neuen Techniken werden außerdem verpflichtend?
Zusätzlich zu ISA müssen ab Jahresmitte neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge einen Notbremsassistenten aufweisen. Bestimmte Lkw und Busse sind dazu laut Bundesverkehrsministerium schon seit Jahren verpflichtet. Der Notbremsassistent erkennt stehende und bewegte Fahrzeuge automatisch und bremst selbstständig. Auch Fußgänger und Radfahrer soll er erfassen können. Außerdem muss in Autos – ähnlich wie in Flugzeugen – eine sogenannte Blackbox installiert werden. Diese zeichnet Daten wie Geschwindigkeit und Bremswege kurz vor, während und unmittelbar nach einem Unfall auf. Die Blackbox speichert diese Daten anonymisiert. Behörden sollen sie zum Zweck der Unfallforschung und der Fahrzeugentwicklung verwenden können. Hinzu kommen Notfall-Spurhalteassistenten und ein Rückfahrassistent. Auch ein Warnsystem bei Müdigkeit und nachlassender Konzentration wird Pflicht. Nachlassende Aufmerksamkeit wird unter anderem durch das Messen von Lid- und Augenbewegungen durch Sensoren festgestellt. Zudem müssen Pkw, Busse und Nutzfahrzeuge mit einem Notbremslicht ausgerüstet werden. Dabei leuchten alle Bremsleuchten gleichzeitig auf. Dieses Signal soll den Verkehrsteilnehmern hinter dem Fahrzeug signalisieren, dass dieses mit einer starken Verzögerung bremst. Die neue EU-Verordnung sieht ebenfalls vor, dass Fahrzeuge über eine Vorrichtung verfügen, an die ein standardisierter Anschluss für eine Alkohol-Wegfahrsperre angebracht werden kann. Vorerst wird nur die Schnittstelle geschaffen, die Wegfahrsperre muss noch nicht installiert werden. Außerdem muss ein System zur Überwachung des Reifendrucks eingebaut werden. Die Sicherheitstechniken sind jeweils ab den Stichtagen 2022 beziehungsweise 2024 Pflicht.