Die Zahl der Mädchen und Jungen, die ein Smartphone benutzen, steigt kontinuierlich. 54 Prozent der Kinder zwischen sechs und sieben Jahren beschäftigen sich ab und zu mit dem Smartphone. Das zeigt eine repräsentative Studie des Digitalverbandes Bitkom aus dem Jahr 2019. 2014 waren es erst 20 Prozent. Bei den 12- bis 13-Jährigen lag die Zahl 2019 bei 97 Prozent, fünf Jahre zuvor bei 85 Prozent.
Das Smartphone ist im Alter zwischen zehn und 18 Jahren für viele immens wichtig. 56 Prozent sagen Bitkom zufolge: „Ein Leben ohne Handy kann ich mir nicht mehr vorstellen.“ Und ein Leben ohne Internet wohl auch nicht. Ab 12 Jahren sind 97 Prozent der Befragten online und surfen im Netz. Das Kontrollieren von sozialen Netzwerken gehört mittlerweile für viele genauso zum Alltag wie das morgendliche Aufstehen.
Doch im Netz lauern auch Gefahren für Jugendliche. Ab wann kommen sie mit Smartphone, Internet und sozialen Medien zurecht? Wie lässt sich der Medienkonsum steuern? Wir sprachen darüber mit Annabelle Jüppner. Sie ist Medienpädagogin beim Münchner Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (JFF).
Ab welchem Alter sollte ein Kind ein Smartphone besitzen?
Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage ist nicht einfach. Es ist wichtig, dass zunächst gewisse Fragen geklärt werden. Ist mein Kind entwicklungstechnisch bereit dafür, hat es schon genügend Medienerfahrung mit dem Smartphone eines Familienmitgliedes gemacht, ist es verantwortungsbewusst? Weiß es, welche persönlichen Daten man nicht veröffentlichen sollte und wie man am besten in Chats kommuniziert? Wir verallgemeinern ungern, weil es sehr auf das jeweilige Kind ankommt. Die Eltern können das meistens am besten einschätzen, wann es so weit ist.
Wann bekommen Kinder meistens ihr erstes Smartphone?
Viele entscheiden sich für ein eigenes Smartphone, wenn ihr Kind von der Grundschule auf eine weiterführende Schule kommt. Irgendwann spielt auch das Thema Gruppenzwang eine Rolle. Natürlich – ab einem gewissen Alter ist es einfach cool, ein Smartphone zu haben. Und man will zur Gruppe dazugehören. Dieser Wunsch des Kindes sollte gehört werden, aber Herausforderungen mit dem Smartphone sollten Eltern deshalb nicht außer Acht lassen.
In welchem Alter ist wie viel Bildschirmzeit sinnvoll?
Das ist immer schwer zu pauschalisieren. Man kann sich an der Medieninitiative „Schau hin!“ orientieren. Dort heißt es, dass zum Beispiel Sieben- bis Achtjährige das Smartphone nicht länger als 30 Minuten am Stück nutzen sollen. Es kommt auch darauf an, was das Kind mit dem Handy macht. Recherchiert es für ein Referat, spielt es online mit Freundinnen und Freunden Spiele oder hört es ein Hörspiel?
Wie legen Eltern Regeln sinnvoll fest?
Je jünger die Kinder sind, desto klarere Strukturen und Regeln benötigen sie, weil sie die Mediennutzung selbst noch schwer regulieren können. Regeln sollten von Eltern und Kindern gemeinsam erarbeitet werden. Es ist zum Beispiel sinnvoll, feste Offline-Zeiten zu vereinbaren. Etwa bei den Hausaufgaben, beim Essen und vorm Schlafengehen.
Sind Eltern hier auch Vorbilder?
Absolut. Gerade für jüngere Kinder sind Mama und Papa ein sehr großes Vorbild, für die älteren auch immer mehr Gleichaltrige. Deshalb sollte die ganze Familie an einem Strang ziehen und einen bewussten Umgang mit Medien vorleben.
Wie kann man seinen Kindern die festgelegten Regeln vermitteln?
Oft klappt das ganz gut spielerisch. Man kann zum Beispiel mit Zeitgutscheinen arbeiten. Es gibt ein gewisses Zeitkontingent pro Woche und die Kinder können sich das selbst einteilen. Man kann auch ein Glas mit Murmeln aufstellen. Es gibt die App mit dem Handybett von der Auerbach-Stiftung, in der man das Smartphone schlafen legt. Daraus kann man mit den Kindern ein Ritual machen. Für Jugendliche ist die App „Forest“ hilfreich, in der auch Nutzungszeiten festgelegt werden können.
Gibt es auch gute Apps für Kinder?
Apps für Kinder sollten einfach aufgebaut sein, nicht überladen und vor allem werbefrei sein. Vor Kurzem ist die App „Wo ist Goldi?“ herausgekommen. Sie integriert für Kinder zwischen acht und zehn Jahren Lerninhalte in spannende Spielinhalte. Kinder können Abenteuer erleben, sich Gefahren stellen und müssen Rätsel lösen. Dort lernen sie auch, was Online-Mobbing und Fake News sind.
Mit diesen Problemen werden sie spätestens auf Social-Media-Plattformen konfrontiert.
In Social-Media-Angeboten gibt es neben vielen Chancen auch Herausforderungen. Es gibt Fake News, die Kinder oft nicht als solche erkennen. Aber es geht auch um Kommerz. Wenn Influencerinnen und Influencer Produkte bewerben, ist das oft für jüngere Kinder schwer zu verstehen. Kinder und Jugendliche können auf Social Media auch auf Online-Mobbing und Hasssprache treffen. Oder auf Cyber-Grooming. Dabei nehmen Erwachsene mit sexuellen Absichten online gezielt mit Kindern Kontakt auf. Deshalb ist ein kompetenter Umgang mit Social Media für Mediennutzung so wichtig.
Wie können Eltern ihre Kinder davor schützen?
Wichtig ist, darüber zu sprechen, auch spielerisch. Bei dem Spiel „Act Wisely – Stress im Netz“ hat man Spielkarten mit unterschiedlichen Situationen, auf die man im Netz treffen kann. Die muss man dann mit Analyse- und Handlungskarten zusammenlegen. Es geht darum, Hintergrundwissen zu haben, wie man sich verhalten oder an wen man sich wenden kann.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für Social Media?
Bei Instagram gibt es beispielsweise die Altersbeschränkung von 13 Jahren. Das heißt aber nicht, dass das Kind genau zu diesem Zeitpunkt bereit dafür ist. Am besten ist es, wenn Kinder erste Erfahrungen mit Social Media in einem geschützten pädagogischen Umfeld machen, wo sie Privatsphäre-Einstellungen oder das Recht am eigenen Bild kennenlernen. Dabei sollten Eltern ihre Kinder Stück für Stück begleiten.
Gibt es technische Hilfsmittel, um den Konsum zu kontrollieren?
Sowohl bei Apple als auch bei Android gibt es Kindersicherungen. Dazu gehören Jugendschutzeinstellungen im App- oder Playstore. Bei Fritzboxen können Eltern Zugangsprofile für ihre Kinder erstellen und so die Internetzeit festlegen und welche Seite die Kinder aufrufen können. Die Filtersoftware „JusProg“ arbeitet ähnlich.
Wo hört Kontrolle auf?
Wir empfehlen nicht, dass Eltern Kontroll-Apps verwenden. Sie haben meist einen GPS-Tracker und Eltern könnten auch die Bilder oder Tonspuren ihrer Kinder anschauen und anhören. Das ist schlecht für das Vertrauensverhältnis und schränkt die Freiheit der Kinder massiv ein.
In welcher Weise können Kinder und Jugendliche von Smartphones und vom Internet profitieren?
Das Smartphone ist ein multimedialer Alleskönner. Kinder können sich mit Freundinnen und Freunden austauschen, sich organisieren und kreativ sein. Sie können großartige Medienprodukte kreieren, wie zum Beispiel Podcasts. Durch Medien können sie ihre eigenen Geschichten erzählen und zeigen, wer sie sind. Kinder können online auch schnell Informationen und Nachrichten recherchieren. Entscheidend ist, dass sie den richtigen Umgang mit dem Medium lernen und dabei begleitet werden.