Das Umfeld für den Aktienmarkt war gelinde gesagt schon mal besser. Die Zinsen steigen und sie werden weiter steigen. Aber wenn die Europäische Zentralbank (EZB) trotz der hohen Inflation weiter klare Signale vermissen lässt, deuten Hinweise von Präsidentin Christine Lagarde auf ein Ende der allzu lockeren Geldpolitik im Laufe des Jahres. Etwa ihr Eingeständnis, dass sie die anhaltend stark steigenden Preise überrascht haben oder dass sie die Frage, ob die bisherigen Inflationsprognosen aus ihrem Haus nicht zu niedrig seien, unbeantwortet lässt. Dazu kommen die andauernden Spannungen zwischen dem Westen und Russland wegen der Ukraine. Nicht zu vergessen Lieferengpässe und Logistikprobleme. Dazu kommt Corona.
Und auch der Ölpreis spricht nicht für den Aktienmarkt. Zum Wochenschluss kostet das Fass (159 Liter) mehr als 90 Dollar, sowohl die US-Sorte WTI als auch das Nordsee-Öl Brent. Der Preis ist damit so hoch wie seit mehr als sieben Jahre nicht mehr. Seit Jahresanfang ist der Ölpreis um rund 15 Prozent gestiegen. Ökonomen der DZ Bank schließen nicht aus, dass es kurzfristig auf mehr als 100 Dollar hochgehen könnte. Und sollte der Konflikt um die Ukraine eskalieren seien sogar 120 Dollar möglich. So oder so werde Öl erst einmal teuer bleiben, sagt DZ-Bank-Experte Gabor Vogel.
Das sind schlechte Nachrichten für Unternehmen, für Verbraucher ohnehin. Auch der Deutsche Aktienindex Dax ist auf Talfahrt und bewegte sich zum Wochenschluss zum zweiten Mal in diesem Jahr auf die Marke von 15 000 Punkten zu. Von oben. Dabei gibt es zumindest zwei Signale, die eigentlich positiv wirken sollten: Die Dax-Konzerne werden in diesem Jahr so hohe Dividenden ausschütten wie noch nie. Und die Auftragsbücher sind voll. Im vergangenen Jahr lag der Auftragseingang sogar höher als im Vor-Corona-Jahr 2019.
An der Börse interessiert diese Aspekte derzeit aber kaum. Eher: Gar nicht. Der Aktienmarkt steckt wieder einmal in einer Phase, in der nur auf schlechte Nachrichten geschaut wird. Gute Daten vom US-Arbeitsmarkt, die gestern auf den Markt kamen, werden auch negativ interpretiert. Die überraschend gute Beschäftigungs- und Lohnentwicklung verstärkt nur die Erwartungen auf Leitzinserhöhungen durch die US-Notenbank.
Commerzbank-Stratege Andreas Hürkamp erwartet auch in den nächsten Monaten eine „nervenaufreibende Schaukelbörse“, der Dax werde sich größtenteils zwischen 15 000 und 16 000 Zähler bewegen. Bei 14 500 sollte er aber seinen Boden finden.
ROLF OBERTREIS