Frühlingsgefühle und Kriegsangst

von Redaktion

Die Russland-Krise hat die Finanzmärkte fest im Griff. Mal geht es hoch, wenn leichte Entspannungssignale zu vernehmen sind, dann zeigen die Kurse wieder Richtung Süden, wenn sich das Geschehen wieder zuzuspitzen scheint. „Es wird ein eher schwankungsintensives Börsenjahr“, sagt Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied von Union Investment, der Fondsgesellschaft des Genossenschaftssektors. Das hat seiner Auffassung nach nicht nur mit dem Geschehen in Osteuropa zu tun, sondern auch mit der Inflation und der wahrscheinlichen Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB). „Für die Kapitalmärkte fehlt der Rückenwind der ultralockeren Geldpolitik der letzten Jahre.“ Die Notenbanker seien wegen der stark gestiegenen Preise zu schnellerem Handeln gezwungen. Ende des Jahres dürfte der Leitzins im Euroraum erstmals seit elfeinhalb Jahren wieder steigen. Das Auf und Nieder zeigte sich auch in der vergangenen Woche im Deutschen Aktienindex Dax. Am Montag ging es zeitweise bis auf 14 844 Zähler nach unten, am Mittwoch stand das Börsenbarometer plötzlich 700 Zähler höher, als Meldungen über den Rückzug von Teilen russischer Truppen die Runde machte. Die Schwankungen werden anhalten und die Nerven von Börsianern und Aktienanlegern weiter strapazieren. Das gilt auch für den Blick auf den Ölpreis. Zeitweise bewegte er sich auf die 100-Dollar-Marke für Fass zu, dann rutschte er vorübergehend wieder unter die Schwelle von 90 Dollar. Auch Volkswirte und Aktienstrategen sind gespalten: Die einen warnen vor einen Ölpreis-Schock, die anderen sehen ihn bis Jahresmitte wieder auf Talfahrt Richtung 50 Dollar. Trotz dieser für die Börse ungünstigen hohen Unsicherheit ist Union-Vorstand Wilhelm für den Aktienmarkt weiter zuversichtlich. „Fundamental ist der Markt in einer guten Verfassung.“ Auch wenn steigende Zinsen für Druck sorgen würden. Die Rendite für die wichtige zehnjährige Bundesanleihe ist mit 0,33 Prozent wieder deutlich positiv und auf dem höchsten Stand seit Dezember 2018. Aktien sind nach Ansicht von Wilhelm aber immer noch die bessere Wahl. Grund: Wegen der hohen Inflation sind die Anleiherenditen real immer noch tiefrot. Auch Andreas Hürkamp von der Commerzbank erwartet für das erste Halbjahr Schwankungen im Dax zwischen 15 000 und 16 000 Zählern. Selbst wenn die Lage in Osteuropa eskalieren sollte, rät Hürkamp: „Langfristig orientierte Anleger sollten die Krise aussitzen.“ ROLF OBERTREIS

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