Im Recht sein, ist das eine. Recht zu bekommen, das andere. Gut, wenn man für solche Lebenssituationen einen versierten Anwalt an der Seite hat. Doch wie den richtigen finden? Eine Frage, die sich viele stellen. Zumal vor Gericht mitunter sogar ein Anwaltszwang besteht, sprich: Man muss sich in einem Verfahren zwingend anwaltlich vertreten lassen.
Anwaltszwang
„Ein Anwaltszwang besteht im Zivilrecht, wenn der Fall nicht vor dem Amtsgericht, sondern vor dem Landgericht, Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof verhandelt wird“, erläutert Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins. Das Landgericht etwa ist ab einem Streitwert von über 5000 Euro zuständig. Daneben gibt es bestimmte Gerichtsverfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung vorgeschrieben ist. Etwa bei einer Ehescheidung vor dem Familiengericht. „Ist die Scheidung einvernehmlich, darf es hier aber eine gemeinsame Rechtsvertretung für beide Ehegatten sein“, so Ruge. Im Strafrecht ist eine spezielle Art des Anwaltszwangs die Pflichtverteidigung. Ein Verteidiger ist ein Muss, wenn die mutmaßliche Tat etwa eine Strafandrohung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe vorsieht, wenn Untersuchungshaft in Rede steht oder wenn die Sach- und Rechtslage übermäßig komplex ist.
Fachanwalt
Wer einen guten Anwalt sucht, kann sich beispielsweise im Freundes- und Bekanntenkreis umhören, ob jemand Erfahrungen hat und eine Empfehlung aussprechen kann. „Allerdings eine Gewähr, dass diese Person auch für den eigenen Fall die richtige ist, gibt es natürlich nicht“, sagt Michael Sittig von der Stiftung Warentest. Schließlich ist jedes Rechtsproblem anders. Das zentrale Kriterium bei der Suche: Ein Rechtsbeistand sollte sich mit dem jeweiligen Fachgebiet auskennen und dafür den Titel „Fachanwalt“ tragen. Mögliche Fachgebiete können etwa Arbeitsrecht oder Mietrecht sein.
Internet-Suche
Nach solchen und anderen Fachanwälten lässt sich im Internet gezielt suchen. „Die Anwälte, die bei der Internet-Suche an den ersten Stellen aufploppen, sind aber nicht unbedingt die besten“, warnt Sittig. Sie haben womöglich Geld in die Suchmaschinenoptimierung investiert, weshalb User unmittelbar auf sie stoßen. „Oft lohnt es sich, in der Trefferliste nach der Sucheingabe weiter herunterzuscrollen und sich die Websites anderer Anwälte anzusehen“, erklärt Sittig. Welchen Eindruck macht die jeweilige Website? Mit welchen Erfahrungen und Qualifikationen punktet die Kanzlei? Eine andere Option: „Es gibt im Internet Suchplattformen, auf denen Rechtssuchende ihr Problem grob schildern können und dann an passende Experten verwiesen werden“, sagt Ruge. Diese Portale sind allerdings teilweise kostenpflichtig. Suchen kann man auch über Portale der Bundesrechtsanwaltskammer oder des DAV.
Bewertungen
Bei Anwaltsbewertungen im Netz ist eher Vorsicht geboten. Viele gute Bewertungen können zwar ein Indiz für die Qualifikation sein – „sie müssen es aber nicht“, stellt Ruge klar. Auf der anderen Seite muss ein Anwalt nicht schlecht sein, nur weil ein Prozess verloren wurde. „Jeder Rechtsstreit ist individuell, Rechtssuchende sollten lieber auf ausgewiesene Qualifikationen achten“, rät Ruge.
Erstberatung
Neben den fachlichen Qualifikationen kommt es auch auf ein gutes Vertrauensverhältnis an. Ob ein Draht besteht, können beide Seiten bei einer anwaltlichen Erstberatung testen. „Dafür fallen maximal 190 Euro zuzüglich Umsatzsteuer an“, sagt Ruge. Die Summe werde häufig im Fall einer Mandatserteilung angerechnet. „Wenn die Chemie im Erstgespräch nicht stimmt, kann es ratsam sein, sich anderweitig umzusehen“, so Ruge.
Der Kontakt zwischen Mandant und Anwalt muss auch nicht zwingend vor Ort erfolgen. „Wenn man einen Fachanwalt für das eigene Rechtsproblem findet, der hunderte Kilometer entfernt seine Kanzlei hat, dann muss das kein Hindernis sein“, erklärt Sittig. Schließlich kann die Kommunikation über Telefon, E-Mail oder Videokonferenz erfolgen. Kommt es aber in einem solchen Fall zu einem Prozess, kann es teuer werden, warnt Sittig. Muss der Rechtsbeistand, der etwa in Hamburg residiert, für ein Gerichtsverfahren beispielsweise nach München kommen, muss der Mandant Reisekosten und Tagesspesen zahlen.
Freie Auswahl
Wichtig zu wissen: Die Rechtsschutzversicherung, sofern ein Rechtssuchender eine solche Police hat, darf dem Versicherungsnehmer keinen bestimmten Anwalt aufdrängen – „es herrscht freie Anwaltswahl“, so Ruge. Nur bei der Vergütung ist zu beachten, dass Rechtsschutzversicherungen nur die Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zahlen, mehr nicht.
In einem laufenden Rechtsstreit können Mandanten übrigens jederzeit den Mandatsvertrag kündigen. Andersherum müssen sich Mandanten keine großen Sorgen machen: Will ein Anwalt das Mandat niederlegen, muss er beachten, dass dies nicht zur Unzeit erfolgen darf. „Mandanten müssen die Chance haben, sich eine neue Vertretung zu suchen“, so Ruge.