Nach einem Angriff russischer Truppen auf ein ukrainisches Atomkraftwerk geht der Ausverkauf am deutschen Aktienmarkt weiter. Zuvor hatten bereits die asiatischen Märkte deutlich nachgegeben. Der Dax weitete seine Verluste aus und stand zeitweise an die vier Prozent im Minus.
Auch wenn der Brand im größten europäischen Atomkraftwerk in der Ukraine gelöscht und keine erhöhte Strahlenbelastung messbar sei, beschwöre der Vorfall am Markt die Angst vor einer nuklearen Katastrophe, schrieb Jochen Stanzl von CMC Markets. „Je länger dieser Krieg dauert, dürften auch die Tage und Wochen mit Minuszeichen an der Frankfurter Börse noch anhalten.“
An den internationalen Aktienbörsen verschärfte sich der Ausverkauf noch. Auf den Rohstoffmärkten verteuerten sich Öl und Gas, aber auch Industriemetalle wie Aluminium und Nickel.
„Der Russland-Ukraine-Krieg zieht an den Märkten weitere Kreise“, schrieb Analyst Manfred Bucher von der Landesbank Bayern LB. Den Märkten drohe eine Stagflation, also eine Wachstumsschwäche bei gleichzeitig hoher Inflation.
Gift ist dieses Szenario für die Aktienmärkte. Der deutsche Leitindex Dax erlebte einen weiteren schwarzen Tag und fiel auf den niedrigsten Stand seit mehr als einem Jahr. Europaweit gingen die Börsenbarometer in die Knie, nachdem schon die asiatisch-pazifischen Märkte Verluste hinnehmen mussten. So fiel der japanische Nikkei-Index auf das tiefste Niveau seit November 2020. An der Wall Street werden vor dem Wochenende ebenfalls Verluste erwartet. Anleger dürften auch deshalb Aktienpositionen auflösen, um nicht nach dem Wochenende von neuen Hiobsbotschaften erwischt zu werden, sagten Börsianer.
Vor allem die steigenden Energiepreise lassen die Investoren Mittel aus risikoreichen Anlagen wie Aktien abziehen und in Papiere wie Anleihen, Edelmetalle und Barmittel umschichten. „Die Erdgaspreise werden auf Rekordhoch gehandelt. Der Russland-Ukraine-Krieg treibt die Renditen europäischer Unternehmensanleihen hoch“, schrieb Ulrich Stephan, Chefstratege der Deutschen Bank. Steigende Kapitalmarktzinsen verteuerten aber die Refinanzierung der Unternehmen und zehrten somit an ihren Gewinnen.
Vor diesem Hintergrund traf es an den Börsen vor allem konjunkturabhängige Sektoren hart. So sackte der Autobereich – im Dax mit BMW, Volkswagen, Mercedes-Benz und Porsche prominent vertreten – zwischen vier und acht Prozent ab. Weltweite Konjunktursorgen dürften auf die Autonachfrage drücken. Hinzu kommen steigende Treibstoffkosten. Schließlich fallen Zulieferungen aus der Ukraine weg. Sehr schwach zeigten sich auch die Banken. Die Deutsche Bank im Dax verlor ebenso wie die Commerzbank im MDax über neun Prozent. An die Dax-Spitze setzt sich die Aktie von RWE, nachdem diese in den Tagen zuvor unter Druck geraten war. Auf dem Devisenmarkt war derweil erneut der Dollar als wichtigste Reservewährung in Krisenzeiten gesucht. Der Greenback wertete zu den meisten anderen großen Valuta auf. Darunter litt der Euro. Er fiel am Freitagmittag unter die Marke von 1,10 Dollar. Die Gemeinschaftswährung erreichte den tiefsten Stand seit Mai 2020. Das anstehende Stühlerücken in der Dax-Familie sorgte für Kursbewegungen bei Siemens Energy, die für einige Experten überraschend, zum 21. März vom Dax in den MDax wechseln. In der zweiten Börsenliga standen die künftigen Dax-Mitglieder Daimler Truck und Hannover Rück hingegen unter Druck. Neben Siemens Energy wandert auch Beiersdorf vom Dax in den MDax. mm, dpa