Was Autofahrer jetzt wissen müssen

von Redaktion

VON BJÖRN HARTMANN

In der Geschichte der Bundesrepublik ist der Eingriff in den Spritmarkt einmalig: Der Staat senkt die Energiesteuer auf Benzin und Diesel für drei Monate kräftig, um die Autofahrer zu entlasten. Tanken wird billiger. Am 1. Juni ist es so weit. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was passiert am 1. Juni?

Zum Stichtag sinkt die Energiesteuer auf Benzin von 65,45 Cent je Liter auf 35,90 Cent je Liter, die für Diesel von 47,04 Cent je Liter auf 33 Cent je Liter. Dadurch verringert sich auch die Mehrwertsteuer je Liter. Insgesamt erhebt der Staat bei Benzin 35,2 und bei Diesel 16,7 Cent weniger Steuern je Liter. Insgesamt kostet das den Staat geschätzt rund 3,1 Milliarden Euro.

Wie teuer ist Sprit vom 1. Juni an den rund 14 500 Tankstellen in Deutschland?

Das ist nicht genau zu sagen. Die Energiesteuer wird in der Raffinerie oder beim Großhändler erhoben. Die Tankstelle erhebt noch die Mehrwertsteuer. Sprit, der bis zum 1. Juni an eine Tankstelle geliefert wurde, ist also noch zum höheren Satz versteuert. Senkt die Tankstelle den Preis um die Steuererleichterung, verliert sie Geld. Es kann sein, dass die Tankstellen den Verlust hinnehmen, um nicht angreifbar zu sein. Es kann aber auch sein, dass sie eine Mischkalkulation wählen und einige Tage vergehen, bis die Steuererleichterung voll am Zapfhahn ankommt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits nicht ausgeschlossen, dass der Tankrabatt auch zu höhren Spritpreisen führen kann, dann nämlich, „wenn alle am 1. Juni zur Tankstelle fahren“ und so einen Nachfrageschub auslösen. Generell gilt: Dort, wo mehrere Tankstellen auf Kunden warten, werden die Preise wegen der Konkurrenzsituation eher sinken. Die Unternehmen schweigen.

Wird es Schlangen an den Tankstellen geben, wird gar der Sprit ausgehen?

Möglicherweise warten Autofahrer jetzt ab, um günstiger nach dem 1. Juni zu tanken. Insofern erwartet die Branche zu Stoßzeiten längere Schlangen. „Wir setzen alles daran, die Versorgung sicherzustellen“, heißt es beim Wirtschaftsverband en2x, der die Mineralölwirtschaft vertritt. Das heißt, vereinzelt könnte es Engpässe geben. Haken könnte es, weil nicht genügend Tanklastzüge und Fahrer zur Verfügung stehen. Eine Spritknappheit gibt es aber nicht.

Wie soll ich mich als Autofahrer verhalten, um möglichst günstig zu tanken?

Der ADAC rät, genug Sprit im Tank zu haben, um erst einige Tage nach Monatsbeginn tanken zu müssen. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass Sprit in der Woche am frühen Abend am billigsten und frühmorgens am teuersten ist.

Wie entwickeln sich die Spritpreise in den kommenden Wochen?

Die Mineralölbranche wagt keine Vorhersage. Der Benzinpreis hängt zum einen vom Ölpreis ab. Und der steigt, weil sich die Weltwirtschaft nach der Pandemie erholt hat. Kostete ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent im April 2020 unter 20 Dollar, sind es jetzt mehr als 110 Dollar.  Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, der damit verbundenen Unsicherheit und dem drohenden Ölembargo gegen den größten Förderer der Welt, dürfte der Ölpreis weiter steigen. Zum anderen hängt der Benzinpreis auch davon ab, wie die Raffinerien, die Öl in Benzin verwandeln, ausgelastet sind. Auch der Benzinpreis in den USA, einer der größten Absatzmärkte, ist wichtig. Wenn die Preise dort anziehen, kann es sein, dass es sich rechnet, Benzin aus Europa in die USA zu verschiffen. Der Sprit stände in Europa nicht zur Verfügung, der Preis könnte hier steigen. Und nicht zuletzt bestimmen die Autofahrer mit: Wollen sie viel tanken, etwa zum Ferienstart, steigt auch der Spritpreis.

Wenn sich der Preis auf niedrigerem Niveau dann eingependelt hat – wie viel Sprit darf man bunkern?

Hamstern empfiehlt sich nicht. Denn es ist verboten, privat größere Benzinmengen zu lagern. So sind aufgrund der Explosionsgefahr in Kleingaragen von einer Größe bis zu 100 Quadratmetern lediglich bis zu 20 Liter erlaubt. Und die müssen in verschlossenen, nicht brennbaren und bruchsicheren Kanistern gelagert werden, erklärt der Automobilclub ACE. Vom weniger entzündlichen Diesel darf mehr eingelagert werden. Hier sind bis zu 200 Liter in einer Kleingarage erlaubt. Dabei gilt es zu bedenken, dass sich Diesel auch bei luftdichter Lagerung nur einige Monate hält, so der ACE. Daher sei auch hier eine größere Menge nicht sinnvoll. Grund sei die sogenannte Dieselpest. Bakterien aus dem Biodiesel-Anteil zersetzten mit der Zeit den Kohlenstoff im Diesel. So bildet sich eine Art Schlamm, der wiederum die Filter und das Kraftstoffsystem des Fahrzeugs verstopft.  Wer zur Miete wohnt, dem ist die Lagerung von Kraftstoff oft ganz verboten. Hier hilft ein Blick in den Mietvertrag. Wenn nichts Anderweitiges vermerkt ist, sind laut ACE im Keller als Gesamtmenge 20 Liter Benzin oder Diesel erlaubt. Im gesamten Keller, versteht sich – und nicht pro Kellerverschlag.

Und im Auto selbst?

Autos sind keine Tanklaster. Für den Transport im Auto sind zwar bis zu 240 Liter erlaubt. Die Menge muss aber verteilt sein auf maximal 60 Liter fassende Reservebehälter – innerhalb Deutschlands.

Woanders gelten andere Regeln. Der entsprechende Kanister muss laut ADAC entweder die sogenannte Reservekraftstoffkanister-Zulassung (RKK) oder eine UN-Zulassung haben. Die entsprechende Kennzeichnung ist am Behälter eingeprägt. Wichtig: In Deutschland muss laut Dekra ab einer Menge von 20 Litern Kraftstoff im Kanister außerhalb des Tanks das Kennzeichen „Verbot für Fahrzeuge mit wassergefährdender Ladung“ beachtet werden. Zur Sicherheit raten Experten im Auto, nie mehr als fünf oder zehn Liter als Reserve vorzuhalten.

Der Spritpreis steigt seit einiger Zeit. Wollen die Anbieter den Preis hochtreiben, um trotz der Steuersenkung mehr Gewinn zu machen?

Hier zeigt sich eher die Marktentwicklung, der Preis schwankt. Ein Liter Super E10 kostete am 1. Juni 2021 im Schnitt 1,50 Euro, ein Liter Diesel 1,35 Euro. Wegen der Corona-Pandemie war die Nachfrage nach Öl und Sprit gering. Dann zogen Wirtschaft und Nachfrage an, die Preise stiegen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine trieb sie weiter. Am 10. März 2022 erreichten die Preise ihr Allzeithoch: E10 kostete im Schnitt 2,20 Euro, Diesel sogar 2,33 Euro je Liter. Danach fielen die Preise wieder unter zwei Euro. Zuletzt ging es wieder etwas nach oben. Der Wirtschaftsverband Fuels & Energie nennt unter anderem den Beginn der Driving Season in den USA mit entsprechend hoher Nachfrage als Grund.

Die Ölkonzerne haben für das vergangene Jahr und das erste Quartal große Gewinne gemeldet. Zahlt das der Autofahrer?

Mit dem Ende der Pandemie begann die Weltwirtschaft sich zu erholen. Entsprechend stieg die Nachfrage nach Öl und damit der Preis, während die Fördermenge weitgehend gleich blieb. So stiegen auch die Gewinne der Ölkonzerne. Der Tankstellenmarkt in Deutschland sei da eher weniger wichtig, hieß es von einem Branchenexperten. Verbraucherschützer sehen das allerdings anders.

Was passiert Ende August?

Die Energiesteuer ist nur bis Ende August gesenkt. Zum 1. September steigt sie dann wieder um 29,55 Cent je Liter Benzin und 14,04 Cent je Liter Diesel. Ob sich diese Verteuerung dann politisch halten lässt, ist unklar.  Mit Material von dpa

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