Zwischen Verunsicherung und Hoffnung

von Redaktion

Steigende Zinsen sind normalerweise ganz und gar nicht nach dem Geschmack der Börse. Also hätten die Kurse am Donnerstag und auch am Freitag nach der ersten Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) seit elf Jahren abrutschen sollen. Zumal die Anhebung um 0,5 Prozentpunkte doppelt so hoch ausgefallen ist wie erwartet, und EZB-Chefin Christine Lagarde die weitere Verschärfung der Geldpolitik in den nächsten Monaten ankündigte. Aber wie sagt man an der Börse so schön: Die Entwicklung war in den Kursen schon „eingepreist“. Die Händler hatten längst mit der Zinserhöhung gerechnet. Zumal auch ihnen klar ist, dass die Notenbank entschieden gegen die hohe Inflation vorgehen muss. Die Börse habe die geldpolitische Zeitenwende gut verkraftet, stellt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, fest. Der Deutsche Aktienindex Dax jedenfalls hat in der abgelaufenen Woche gut drei Prozent zugelegt, hat sich wieder über der Marke von 13 000 etabliert und ließ am Freitag sogar zeitweise 13 300 Zähler deutlich hinter sich.

Auf dem Parkett stehen bis auf die weiter hohe Inflation andere Probleme im Vordergrund. Dreht Putin den Gashahn zu, wie lange dauert der von ihm angezettelte schreckliche Krieg in der Ukraine? Rutscht die deutsche Wirtschaft in die Rezession? Wird auch die chinesische Wirtschaft weiter von Corona gebremst? Wie steht es um die Lieferketten? Wie fallen die Zwischenberichte der deutschen Unternehmen für das zweite Quartal aus?

In der anstehenden Woche gibt es eine wahre Flut von Zahlen, unter anderem von Deutscher Bank, BASF und Linde. Für Erleichterung dürfte dagegen das bis zu 15 Milliarden Euro schwere Rettungspaket der Bundesregierung für Uniper sorgen. Commerzbank-Stratege Andreas Hürkamp sieht auch in der drohenden Rezession in den USA ein Risiko für die Gewinne der Dax-Firmen.

Dadurch dürften sie 2022 um fünf Prozent und 2023 um weitere zehn Prozent fallen. Sollte Putin den Gasexport stoppen und es zu einer Rezession in Deutschland kommen befürchtet Hürkamp einen noch stärkeren Gewinneinbruch. Robert Halver von der Baader Bank wertet die Gaskrise weiter als das Damoklesschwert für den Aktienmarkt. Es liege weiter auf dem Tisch.

Andererseits sieht er im hohen Anteil an Pessimisten ein Anzeichen für eine Bodenbildung an der Börse. Umfragen zufolge hätten Fondsmanager in den USA ihr Engagement in Aktien auf ein Niveau gesenkt, das zuletzt im Oktober 2008 beobachtet worden sei. Mit anderen Worten: Bald müssen die Fondsmanager wieder Aktien kaufen. ROLF OBERTREIS

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