Inge W.: „Mein Lebensgefährte hatte handschriftlich ein Testament angefertigt. Einige Jahre später war er wegen einem Schlaganfall längere Zeit im Krankenhaus. Er hat dann aus Versehen die erste Seite seines Testaments durchgestrichen. Als er den Fehler bemerkte, vermerkte er auf der letzten Seite: ,Die versehentlich durchgestrichen Seite 1 gilt weiterhin.’ Mit Datum und Unterschrift versehen. Für eine neue handschriftliche Fassung reicht seine Schreibfähigkeit wegen der zurückgebliebenen Einschränkung der rechten Körperseite (Hand) nicht aus. Wird das Nachlassgericht dieses Testament anerkennen?“
Das Gesetz regelt, dass ein Testament dadurch widerrufen werden kann, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Die Streichung der Seite 1 des Testamentes durch Ihren Lebensgefährten könnte also eine solche Widerrufshandlung darstellen und damit die entsprechenden Verfügungen des Testaments, die auf dieser Seite geregelt wurden, außer Kraft setzen.
Allerdings müsste Ihr Lebensgefährte auch in der Absicht gehandelt haben, das Testament zu widerrufen. Hierzu regelt das Gesetz weiter, dass wenn der Erblasser die Testamentsurkunde in einer solchen Weise wie zum Beispiel Streichung verändert hat, es vermutet wird, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat. Diese Vermutungswirkung kann allerdings widerlegt werden. Der Hinweis Ihres Lebensgefährten mit Datum und Unterschrift, dass die versehentlich durchgestrichene Seite 1 weiterhin gelten soll, sollte ausreichen, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, denn damit wird vom Erblasser selber klar zum Ausdruck gebracht, dass er eben gerade nicht in der Absicht gehandelt hatte, das Testament zu widerrufen, weil er „versehentlich“ gehandelt hat.
Allerdings ist zu sehen, dass der Widerruf eines Testaments durch Vernichtung oder Veränderungen selber nicht mehr widerrufen werden kann, sondern in diesen Fällen ist zwingend eine Wiederherstellung des Testaments durch eine formgerechte Neuerrichtung zu bewerkstelligen. Diese Anforderungen würde der Hinweis Ihres Lebensgefährten trotz Unterschrift und Datum allerdings nicht erfüllen.
Vor diesem Hintergrund sollte Ihr Lebensgefährte – wenn er auf Nummer sicher gehen möchte – ein neues Testament errichten, indem er hierzu einen Notar hinzuzieht; da Ihr Lebensgefährte offensichtlich noch eine Unterschrift leisten kann, ist er auch nicht schreibunfähig im Sinne des Gesetzes.
Generell ist davon abzuraten, Änderungen am Testament durch Streichungen oder Zusätze am ursprünglichen Dokument vorzunehmen, sondern aus Gründen der Rechtssicherheit sollte man sich die Zeit nehmen, das Testament insgesamt neu handschriftlich zu fertigen und mit Unterschrift und Datum und am besten auch mit dem Zusatz versehen, dass damit alle früheren Verfügungen von Todes wegen in vollem Umfang aufgehoben werden sollen.
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