Die Inflation in Deutschland ist auf den höchsten Stand seit etwa 70 Jahren gesprungen. Angetrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen, legten die Verbraucherpreise im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 10,0 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung mitteilte. Im August war noch ein Anstieg um 7,9 Prozent verzeichnet worden. Volkswirte rechnen auch in den nächsten Monaten mit zweistelligen Teuerungsraten. Im Freistaat Bayern zogen die Preise sogar noch stärker an: Die Inflationsrate hier lag bei 10,8 Prozent.
Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern wurden Raten von 10 Prozent und mehr Anfang der 1950er-Jahre gemessen, allerdings hat sich die Berechnungsmethode im Laufe der Zeit geändert.
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern, diese können sich für einen Euro weniger leisten. Der finanzielle Spielraum der Menschen schrumpft. Nach einer Umfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) schränken sich bereits 60 Prozent der Verbraucher beim Einkaufen ein. Für die kommenden Monate richten sich demnach sogar 76 Prozent der Befragten darauf ein, sparsamer einzukaufen.
„Viele Haushalte sind momentan gezwungen, deutlich mehr Geld für Energie auszugeben beziehungsweise für deutlich höhere Heizkostenabrechnungen zurückzulegen. Entsprechend müssen sie bei anderen Ausgaben, wie zum Beispiel neuen Anschaffungen, sparen“, erläuterte Rolf Bürkl, Experte des Nürnberger Konsumforschers GfK, jüngst. Das hat Folgen für Europas größte Volkswirtschaft, denn der Privatkonsum ist eine wichtige Konjunkturstütze.
Seit Monaten sind Energie und Lebensmittel die größten Preistreiber. Der russische Angriff auf die Ukraine sowie Lieferengpässe haben die bereits angespannte Lage verschärft. Im September kostete Energie 43,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, Nahrungsmittel verteuerten sich um 18,7 Prozent. Zum Vormonat August stiegen die Verbraucherpreise im September insgesamt um 1,9 Prozent.
Für etwas Entlastung sorgten in den vergangenen Monaten der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Tankrabatt sowie das 9-Euro-Ticket. Beide Maßnahmen liefen Ende August aus. Die Bundesregierung plant weitere Entlastungen. Beispielsweise sollen Rentner, Studenten und Auszubildende eine einmalige Energiepreispauschale erhalten. Das Kindergeld soll zum Jahresanfang erhöht werden. Die steigenden Gaspreise will die Bundesregierung mit einer Gaspreisbremse dämpfen.
Die Europäische Zentralbank (EZB), die sich nach langem Zögern mit höheren Zinsen gegen die rekordhohe Inflation stemmt, strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei zwei Prozent Inflation an. Die Inflation im gemeinsamen Währungsraum erreichte im August nach jüngsten Daten einen Rekordwert. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise um 9,1 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat jüngst mitteilte. Es ist die höchste Rate seit Einführung des Euro als Buchgeld 1999.