Wie die EU Strompreise senken will

von Redaktion

VON LAURA DUBOIS

Die EU-Staaten haben sich angesichts hoher Energiepreise auf europäische Notmaßnahmen verständigt, um Strom zu sparen und Entlastungen zu finanzieren. Die zuständigen Minister beschlossen am Freitag, dass Energieunternehmen künftig einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abgeben müssen, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Mit diesem Geld sollen Verbraucher entlastet werden. Die Einigung muss noch formell bestätigt werden. Wie das in der Praxis aussehen könnte, ist unklar. Auch wie schnell Verbraucher davon profitieren könnten und ob die Maßnahmen ausreichen, ist nach Ansicht von Experten ungewiss.

Warum sind die Strompreise so hoch?

Der Gaspreis ist vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine stark gestiegen. Dadurch ist auch Strom teurer geworden. Grund dafür ist, dass der Strompreis durch das teuerste Kraftwerk bestimmt wird, das zur Produktion eingeschaltet wird – derzeit sind das vor allem Gaskraftwerke. Auch Produzenten von billigerem Strom aus Sonne, Wind, Atomkraft oder Braunkohle können diesen zu hohen Preisen verkaufen.

Wie soll der Strompreis gesenkt werden?

Die EU-Kommission will die Einnahmen der Produzenten von billigerem Strom zum Teil abschöpfen und Verbraucher mit dem Geld entlasten. Die EU-Pläne sehen konkret vor, dass die Einnahmen der Firmen bis Ende März 2023 bei 180 Euro pro Megawattstunde gedeckelt werden – was darüber hinausgeht, soll an den Staat gehen. Im deutschen Großhandel waren zuletzt ungefähr 315 Euro fällig.

Allerdings wollen die EU-Staaten mehr Flexibilität, als von der Kommission vorgeschlagen. Demnach könnten die Staaten niedrigere Einnahmengrenzen für bestimmte Technologien einführen – oder eine höhere, falls die Kosten der Produzenten die Grenze von 180 Euro übersteigen würden. So könnte es anstelle einer einheitlichen Lösung unterschiedliche Deckel für Produzenten von Strom aus Sonne oder Braunkohle geben. Außerdem könnten die Länder entscheiden, nur 90 Prozent der überschüssigen Einnahmen abzuschöpfen.

Was ist mit anderen fossilen Energie- Unternehmen?

Gas-, Kohle- und Ölkonzerne oder Raffinerien, die nicht von der Obergrenze betroffen wären, sollen über eine Krisenabgabe einen Teil ihrer Gewinne abgeben. Die Konzerne müssten ein Drittel jener Gewinne abführen, die den Durchschnittsgewinn der vergangenen vier Jahre um mehr als 20 Prozent übersteigen. Über diese Abgabe sollen ebenfalls Verbraucher und Unternehmen entlastet werden.

Wie schnell könnte all das umgesetzt werden?

Prinzipiell gilt die EU-Verordnung unmittelbar, sie greift also schon in diesem Winter. Experten zufolge sind mit Blick auf die Gewinnabschöpfung aber noch viele Fragen offen. Georg Zachmann vom Brüsseler Bruegel-Institut sagt, dass man in Deutschland wohl die Infrastruktur des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nutzen könne. „Damit ist das administrativ wohl relativ einfach.“ Es bleibe aber das Problem, dass Strom teilweise schon Jahre im Voraus zu anderen Preisen gekauft werde. Derlei Transaktionen müssten ausgenommen werden, sagt Zachmann. Auch nach Ansicht von Lion Hirth von der Hertie School in Berlin ist das nicht einfach. Eine Megawattstunde Strom werde auf den Terminmärkten teils etliche Male gehandelt. Markteingriffe auf dem Großhandel seien extrem kompliziert, sagt Hirth. „Und es besteht die reale Gefahr, dass da etwa ein Instrument, das im Prinzip funktionieren kann und dem Ansatz nach auch möglich ist, wegen einer der vielen Schwierigkeiten bei der Implementierung am Ende mehr Schaden anrichtet als Gutes tut.“

Wann würden Bürger von den Entlastungen etwas spüren?

„Ich bin eher pessimistisch, dass es dieses Jahr noch klappt, aber optimistisch, dass es diesen Winter noch klappen kann, wenn alle an einem Strick ziehen“, sagt Hirth. Das hänge auch davon ab, ob der Staat bereit sei, Entlastungen vorzufinanzieren, bevor das Geld eingesammelt wird. „Das ist ja auch ein wichtiger Hebel der Beschleunigung“, sagt Hirth. Dafür brauche man aber Flexibilität im staatlichen Haushalt. Grundsätzlich befürchten die Ökonomen, dass die Maßnahmen nicht ausreichen werden. „Da bin ich relativ überzeugt davon, dass das das Problem nicht in seiner Gänze lösen wird und dass dann auch die Diskussionen nicht zu Ende sein werden“, sagt Zachmann.

Was kann noch helfen?

Vorgesehen sind auch Stromsparziele für Zeiten, in denen die Nachfrage besonders hoch ist. Dann ist die Einsparung von fünf Prozent verpflichtend. Insgesamt sollen die EU-Länder ihren Verbrauch freiwillig um zehn Prozent senken.

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