Die erste Börsenwoche im Oktober hätte schlechter laufen können. Keine weitere Talfahrt, obwohl sich das schwierige Umfeld nicht verändert hat. Offenbar hatten Händler und Börsianer zu Wochenbeginn die Hoffnung, dass die Notenbanken im Kampf gegen die Inflation die Zinsschraube doch nicht so deutlich anziehen werden wie in den vergangenen Monaten. Die Folge: Der Deutsche Aktienindex Dax sprang von seinem Tagestief von knapp 11 900 Punkten am Montag um knappe 800 Zähler auf 12 670 Zähler zum Handelsschluss am Dienstag.
Manch einen mag da die Furcht beschlichen haben, dass er das Tief und damit einen günstigen Einstieg in den Markt verpasst hatte – wohl eher nicht. Im Verlauf der Woche beruhigte sich das Geschehen, und der Freitag brachte mit sinkender Arbeitslosigkeit und steigenden Löhnen in den USA wieder einen Dämpfer. Schließlich dürfte das ein Signal sein, dass die US-Notenbank Fed weiter kräftig an der Zinsschraube drehen wird.
Von einer Trendwende ist aber nichts zu sehen. Die Strategen der DZ Bank lassen sogar noch größere Vorsicht walten. Die Dax-Prognosen schrauben sie deutlich herunter – von 14 000 auf 12 800 Punkte zum Jahresende und von 15 700 auf 14 000 für Mitte 2023. Grund seien vor allem die steigenden Anleiherenditen und die Erwartung einer ausgeprägten Rezession im Euroraum und auch in den USA, lässt Experte Sven Streibel durchblicken. Solange die Notenbanken ihren Straffungskurs fortsetzen würden, blieben Aktien belastet.
Die Hoffnungen auf ein Ende der Zinssteigerungen stünden auf wackeligen Beinen, sagt Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der DekaBank. „Das reicht nicht für eine Trend-umkehr, solange sich die Inflationsentwicklung nicht klar beruhigt.“ Bis zum Jahresende rechnet Kater nicht damit, auch wenn der Preisdruck etwa in den Lieferketten und bei den Transportkosten etwas nachlasse. Trotzdem könne keine Entwarnung gegeben werden.
Joachim Goldberg, der wöchentlich das Verhalten der Anleger beobachtet, sieht erste Anzeichen für eine Rückkehr der Risikofreude. „Trotz unverändert kritischer Nachrichtenlage scheinen Anleger wieder mehr Risiken eingehen zu wollen.“ Wobei dies vor allem für Privatanleger gelte, weniger für institutionelle Großanleger, also etwa Fonds. Die einen trauten dem Markt eine Fortsetzung der jüngsten Rallye zu, die anderen üben sich in Zurückhaltung. Sie werten die Erholung als Bärenmarktrallye – also als zwischenzeitliches, vorübergehendes Hoch in einer Phase, in der die Kurse tendenziell eher nach unten zeigen. ROLF OBERTREIS