Eigentlich gilt der Oktober unter vielen Anlegerinnen und Anlegern als verrufen. Auch wenn die Börse in diesen vier Wochen in den letzten Jahren im Schnitt nicht schlecht abgeschnitten hat. Aber die Crashs 1929 und 1987 haben sich in einem Oktober ereignet.
Zwar sind Experten nicht unbedingt davon aus gegangen, dass der Oktober 2022 einen Crash bringen würde. Schließlich hatte der Deutsche Aktienindex Dax schon seit Jahresanfang rund 20 Prozent verloren. Dass er sich aber so gut schlagen würde, hatten sie auch nicht auf dem Schirm. Auf rund 13.240 Zähler kletterte das Börsenbarometer am Freitag, dem vorletzten Handelstag des Monats. Das waren gut 1 100 Punkte oder rund neun Prozent mehr als Ende September. Mit diesem deutlichen prozentualen Plus ist der Oktober bislang der mit Abstand beste Monat in diesem Jahr. Auch wenn das Minus im Vergleich zu Ende 2021 immer noch bei stattlichen 17 Prozent liegt, hellt er die Stimmung wenigstens etwas auf.
„Kommt nach einem bislang trüben Aktienjahr nun der goldene Herbst?“, fragt deshalb Markus Reinwand, Aktienstratege der Landesbank Hessen-Thüringen. Und er gibt sich zuversichtlich. Das vierte Quartal zähle in langjährigen Vergleich zu der mit Abstand besten Phase des Jahres. Mittlerweile könne das Tief in der Konjunkturstimmung erreicht sein. Das eröffne Chancen, so Reinwand. „In vergleichbaren Phasen seit 1960 konnte der Dax auf Sicht von zwölf Monaten im Durchschnitt um 25 Prozent zulegen.“ Außerdem seien die Zwischenberichte der Unternehmen weniger schlecht ausgefallen als befürchtet. Reinwand tippt deshalb auf 15 500 Dax-Punkte in einem Jahr.
Eher zur Vorsicht rät dagegen Sascha Rehbein von der Weberbank. Tatsächlich seien die Risiken weiter virulent. Ein Ende der russischen Zerstörungswut in der Ukraine sei nicht absehbar, die Inflation sei zweistellig, die Konjunktur in Deutschland auf Talfahrt und die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach der Jumbo-Zinserhöhung am Donnerstag im Dezember im Kampf gegen die Inflation weiter an der Zinsschraube drehen. Steigende Zinsen aber sind prinzipiell Gift für Aktien. Auch Andreas Hürkamp von der Commerzbank traut der jüngsten Entwicklung nicht. Mittelfristig dürften die Aktienmärkte wieder schwächer laufen. Einen robusten, nachhaltigen Aufwärtstrend sieht er noch nicht. Er rät dazu, sich zwischenzeitlich auch einmal von Aktien zu trennen.
ROLF OBERTREIS