Was das Verbrenner-Aus bedeutet

von Redaktion

VON MAREK MAJEWSKY UND ANDREAS HÖSS

In gut zwölf Jahren sollen alle Neuwagen in der EU emissionsfrei sein. Vertreter des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich am Donnerstagabend in Brüssel für diesen Schritt ausgesprochen (wir berichteten). Was bedeutet die Entscheidung für Autofahrer? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was wurde genau beschlossen?

Die EU einigte sich darauf, dass die Flottengrenzwerte für Autos bis 2035 auf null sinken sollen. Diese geben Autoherstellern vor, wie viel CO2 ihre produzierten Fahrzeuge im Betrieb ausstoßen dürfen. Neue Benzin- und Diesel-Autos, die Klimagase ausstoßen, dürfen ab 2035 nicht mehr verkauft werden. Im Jahr 2026 soll die Entscheidung aber erneut überprüft werden können. Zudem ist im Kompromiss eine Bitte an die EU-Kommission enthalten, den Einsatz sogenannter E-Fuels zu prüfen. Außerdem soll die EU ausrechnen, wie die Klimabilanz von E-Autos im Vergleich ausfällt, wenn man den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs berücksichtigt. Bisher werden Elektrofahrzeuge als komplett CO2-neutral bilanziert, weil sie beim Betrieb keine Abgase produzieren. In der Herstellung brauchen sie dagegen mehr Energie und Rohstoffe als Benziner und Diesel. Die allermeisten Studien gehen bisher dennoch davon aus, dass sie insgesamt deutlich umweltschonender sind. Die EU will nun bis 2025 eigene Methoden entwickeln, um das zu testen.

Ist das jetzt das endgültige Verbrenner-Aus?

Das kommt auf die Interpretation an. Der liberale Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen schreibt: „Die Europäische Kommission muss den Weiterbetrieb des Verbrennungsmotors auch nach 2035 mit alternativen Kraftstoffen ermöglichen.“ Der Verhandlungsführer des Europaparlaments, Jan Huitema, sagte am Freitag, die Kommission könne nun entscheiden, wie sie damit umgehen wolle. Doch selbst die konservative EEP-Fraktion in der EU, die wie die Liberalen gegen ein Verbrenner-Verbot war, hält das für eine bewusste Fehlinterpretation der FDP, wo Parteichef Christian Lindner und sein Verkehrsminister Volker Wissing lange für E-Fuels geworben hatten. „Die Liberalen wollen hier nur ihr Gesicht wahren“, sagt der Europa-Abgeordnete Jens Gieseke von der CDU. Die Ausnahme für E-Fuels sei nur bei Sonderfahrzeugen wie Krankenwagen vorgesehen. Außerdem sei die Kommission nur gebeten und nicht verpflichtet worden, synthetische Kraftstoffe zu prüfen. „Die Hintertür für E-Fuels gibt es damit gar nicht wirklich“, meint Gieseke. Auch Grüne und Umweltorganisationen interpretieren das Verhandlungsergebnis anders als die FDP-Politiker. Der Grünen-Verhandlungsführer Bas Eickhout sprach davon, dass das Ziel, nur noch emissionsfreie Wagen zuzulassen, beibehalten worden sei. Auch bei der Überprüfung im Jahr 2026 gilt es vielen Beobachtern als unwahrscheinlich, dass das Verbot noch mal gekippt wird. Theoretisch könnten die Klimaziele auch nachgeschärft werden. Welches Ergebnis diese Überprüfung der EU-Kommission haben wird, ist aber offen.

Kann ich meinen Benziner oder Diesel weiter fahren?

Ja. Eingeschränkt würde bei Inkrafttreten des Gesetzesvorhabens ab dem Jahr 2035 nur der Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor, nicht aber der Betrieb vorhandener Autos. Zwar geht es bei den Flottengrenzwerten um den Ausstoß von Klimagasen während der Fahrt, die Vorgabe würde aber nur für Verkäufer neuer Autos gelten und nicht für den Weiterbetrieb von Gebrauchtwagen.

Was passiert mit meinem alten Verbrenner?

Bereits zugelassene Fahrzeuge sind von dem Vorhaben nicht betroffen. Wie sich eine Entscheidung auf die Preise für gebrauchte Verbrenner auswirkt, hängt von vielen Faktoren ab. Ein generelles Verkaufsverbot für gebrauchte Autos mit Verbrennungsmotor ist aber nicht vorgesehen. Wie sich die neuen Regeln auf andere Bereiche wie den Ausbau von Ladeinfrastruktur oder die Tankstellenabdeckung auswirken, ist ebenfalls noch offen.

Wie geht die EU jetzt weiter vor?

Wenn sich die Unterhändler der beiden EU-Institutionen auf einen Kompromiss geeinigt haben, muss der Ministerrat beziehungsweise das Parlament zwar noch formell zustimmen. Theoretisch könnte ein solcher Kompromiss auch wieder gekippt werden, wenn sich Regierungen oder Fraktionen quer- stellen. Da die roten Linien der Verhandlungsteilnehmenden jedoch vorher bekannt sind, findet sich für die Kompromisse – sobald sie gefunden sind – auch in der Regel eine Mehrheit.

Ist ein Fahrverbot für Verbrenner geplant?

Davon ist nicht auszugehen. Pläne, Autos mit Verbrennungsmotor komplett von Straßen zu verbannen, sind bislang nicht im Gespräch. Realistisch ist, dass durch ein Verkaufsverbot Benziner und Diesel automatisch immer seltener werden, weil sie Stück für Stück durch neue Elektroautos ersetzt werden.

Gilt das Verbot nur für Autos?

Nein, auch sogenannte leichte Nutzfahrzeuge sind betroffen. Das sind kleinere Transporter mit bis zu 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht.

Wie sieht es mit der Ladeinfrastruktur aus?

Der Bundesnetzagentur wurden zum 1. September knapp 70 000 öffentlich zugängliche Ladepunkte für Elektroautos in Deutschland gemeldet, Anfang 2021 gab es erst knapp 41 600. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft schätzte das Vorankommen beim Ladesäulenausbau zuletzt als gut ein. Der Verband der Automobilindustrie hatte jedoch immer wieder Zweifel, ob der Ausbau schnell genug geht. Die Politik will dem nun entgegentreten. Das EU-Parlament fordert, dass bis 2030 an den Hauptverkehrsrouten in der EU alle 60 Kilometer schnelle Ladesäulen stehen und Verkehrsminister Volker Wissing will bis 2030 über 900 000 neue öffentliche Ladesäulen aufstellen. Doch schon wegen unterschiedlicher Zuständigkeiten und bürokratischer Hürden ist es unklar, ob diese Ziele erreicht werden. „Soll der Verkehr elektrifiziert werden, muss es jetzt beim Ladesäulenbau, aber auch beim Ausbau der Stromnetze und der erneuerbaren Energien, schnell gehen“, fordert die oberbayrische EU-Abgeordnete Angelika Niebler von der CSU, die gegen das Verbrenner-Verbot ist. Hier seien alle in der Pflicht: der Bund, die Länder, aber auch die Kommunen und Behörden.

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