Trauriger Rekordhalter ist ein kleines Vitamindöschen: 50 Tabletten Vitamin B12, hergestellt vom US-Herstellers Nutraceutical, vertrieben unter der Marke KAL. Drei Gramm wiegen die Pillen – 95 Prozent des Verpackungsinhaltes ist Luft. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat diesen Wert anhand einer Röntgenaufnahme ermittelt. Auf dem Bild ist deutlich zu sehen: Die Tabletten bedecken gerade einmal den Boden der kleinen Plastikdose, der Rest ist Luft.
„Gerade wenn das Geld knapper ist, erwarten die Menschen zu Recht ordentlich befüllte Packungen für ihr Geld“, meint Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Mit Luftpackungen jedoch werden sie von den Herstellern hinters Licht geführt.“ Viele Unternehmen würden fehlende oder schwammige Vorgaben in Verordnungen und Gesetzen ausnutzen, um Kasse zu machen, beklagt er.
In einer Stichprobe haben Valet und sein Team insgesamt 15 Verpackungen untersucht. Ergebnis: Bei den untersuchten Produkten lag der Luftanteil bei mindestens 50 Prozent. Zu fast zwei Dritteln aus Luft bestand eine Bio-Backmischung von Baetter Baking, ein Mandelgebäck von Ricciarelli, eine Bio-Backmischung von Lizza und die Schinken-Hörnli, ein Fertig-nudelgericht von Knorr.
„Selbst Bio-Hersteller, deren Produkte eigentlich für mehr Nachhaltigkeit stehen, verschwenden durch Luftpackungen wertvolle Ressourcen und täuschen zugleich ihre Kundschaft“, sagt Valet. Vier der 15 untersuchten Produkte hätten ein Bio-Siegel getragen. Neben den beiden bereits genannten Bio-Backmischungen fiel etwa der Trink-Kakao von Denree mit einem Luftanteil von 60 Prozent negativ auf.
Ist das Verkaufen von Luft überhaupt erlaubt? „Rein rechtlich sind Luftpackungen kaum zu belangen. Das Eich- und Verpackungsrecht gibt Herstellern viel Freiraum bei der Gestaltung ihrer Produkte“, heißt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Verbraucherschützer gehen eigenen Angaben zufolge dennoch regelmäßig gegen Anbieter vor. So habe die Verbraucherzentrale zuletzt erfolgreich durchgesetzt, dass Unilever ein Waschmittel nicht mehr in einem überdimensionierten Karton und Lidl ein Bircher Müsli nicht in einer halb leeren Dose verkaufen dürfe, heißt es. Rechtliche Schritte könne die Verbraucherzentrale dann einleiten, wenn eine Irreführung in Bezug auf den Inhalt vorliege. „Wollen wir überdimensionierte Müllpackungen per se ahnden, so sind uns die Hände gebunden. Deshalb muss der Gesetzgeber endlich bessere rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, um sowohl die Verbraucher als auch die Umwelt zu schützen“, fordert Valet. Luftpackungen verschwenden seiner Meinung nach Ressourcen und schädigen das Klima. Valets Tipp: „Bis sich die Rechtslage ändert, sollte man Ware mit zu viel Luft konsequent im Regal stehen lassen und sich bei den Herstellern beschweren.“
Einen Musterbrief
für Beschwerden hat die Verbraucherzentrale Hamburg im Internet zum Download bereitgestellt. Er ist zu finden unter der Adresse:
www.bit.ly/luftverpackung