Wenn die Katze nur Whiskas isst und ihr Besitzer bei Edeka einkauft, haben die beiden ein Problem. Wo früher Markenprodukte lagerten, gibt’s seit einiger Zeit Lücken in den Regalen vieler Supermärkte. Schuld daran sind oft keine Lieferengpässe, sondern gezielte Stopps oder Auslistungen. Es tobt ein Machtkampf zwischen Lebensmittelkonzernen und Herstellern – mit gravierenden Folgen für Verbraucher.
Diese Marken sind betroffen
Laut Gernot Kasel, Sprecher der Edeka-Zentrale, steht die Supermarktgruppe „seit Monaten in harten Verhandlungen mit der Markenartikel-Industrie“. Die Folge: „Um die in der Regel für uns nicht nachvollziehbaren Preiserhöhungen zwangsweise durchzusetzen, verhängen die Industriekonzerne uns gegenüber oftmals einen einseitigen Lieferstopp, sobald wir die neuen Preise nicht akzeptieren.“
Ob das auch bei Kaufland und Lidl der Fall ist, dazu halten sich die Ketten der Schwarz-Gruppe bedeckt. Auch die Rewe-Gruppe nennt keine betroffenen Marken, bestätigt aber, nicht nachvollziehbare Preisforderungen abzulehnen. Eben das hat Edeka laut Kasel mit Forderungen des Mars-Konzerns getan. Nun seien die Warenbereiche Tiernahrung, Grundnahrung, Süßwaren und Eis von Lieferstopps betroffen. Zum Konzern gehören neben Whiskas und bekannten Süßigkeiten etwa die Kaugummis Extra, Orbit und Wrigley’s oder die Reis-Marke Ben’s Original.
Ebenfalls flächendeckend fehlt Coca-Cola (siehe Kasten). Weitere Markenkonzerne würden derzeit versuchen, „mit überzogenen Preisforderungen auf der Inflationswelle mitzureiten“. Der Edeka-Sprecher nennt hier Procter & Gamble, zu dem unter anderem Ariel, Lenor, Braun oder Gillette gehören.
Hersteller kontern die Vorwürfe
Gabriele Hässig, Sprecherin von Procter & Gamble, kontert: „Es gibt keinen einseitigen Lieferstopp unserseits gegenüber einzelnen Partnern im Handel.“ Der Hersteller hoffe auf eine baldige Einigung. Coca-Cola-Sprecherin Marlen Knapp betont: „Die Preisanpassung trägt auch dem aktuellen Marktumfeld mit deutlichen Kostensteigerungen bei Energie, Vorprodukten und Dienstleistungen Rechnung.“ Die Erhöhung liege außerdem unter der aktuellen Nahrungsmittelinflation und der Entwicklung vieler Handelsmarken. Mars-Sprecherin Tanja Tuschka erklärt, der Konzern fange steigende Kosten so gut wie möglich intern auf; ein gewisses Maß an Preisanpassung sei jedoch nötig. Die Industrie stehe unter „Inflationsdruck“.
Supermärkte wägen Entscheidungen ab
Wer in diesem Machtkampf gewinnt – ob Supermärkte oder Hersteller – hänge vom jeweiligen Einzelfall ab, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln. Er erklärt: „Die Gewinnmarge im Lebensmittelhandel ist eher gering.“ Kunden seien derzeit aber „extrem auf den Preis fokussiert“. In der Folge würden Supermarkt-Ketten sehr genau abwägen. Geben sie eine geforderte Preiserhöhung an ihre Kundschaft weiter, bestehe bei sogenannten Eckprodukten die Gefahr, dass Verbraucher auf das komplette Sortiment schließen und den ganzen Markt als teuer wahrnehmen würden. „Dann wird womöglich der gesamte Wocheneinkauf bei der Konkurrenz erledigt, weil beispielsweise die Coca-Cola dort günstiger ist.“ Wird das Produkt stattdessen ausgelistet, also nicht mehr in den Filialen verkauft, bestehe bei sogenannten starken Marken die gleiche Gefahr. „Der Supermarkt hat beispielsweise kein Nutella, dann fahre ich da nicht hin“, erklärt Hudetz ein mögliches Szenario.
Drücken Supermärkte die Preise alternativ auf eigene Kosten, könne ein Verlust entstehen. „Hier greift das Gesetz der großen Zahl.“ Ein kleiner Verlust – etwa nur wenige Cent pro Glas Nutella – würde durch die abgesetzte Masse problematisch.
Verhalten der Kunden ist entscheidend
Ob Supermärkte besser daran tun, Produkte teuer, gar nicht oder mit Verlust zu verkaufen, hänge von der jeweiligen Position ab. „Hier spielt die Begehrlichkeit eine Rolle“, erklärt Hudetz. Ein Supermarkt könne sich etwa durch freundliches Personal, Parkplätze, geringe Wartezeiten oder ein schönes Gebäude so gut positionieren, dass Kunden zu keinem anderen Markt fahren wollen. Dem entgegen können starke Produktmarken stehen, deren Begehrlichkeit so groß ist, dass Kunden auf keinen Fall darauf verzichten wollen. Deshalb gelte es, die Reaktionen und Präferenzen der Kundschaft genau im Blick zu behalten: „Supermärkte versuchen mit gesammelten Daten zu prognostizieren, um entsprechend zu handeln“, erklärt der Handelsexperte.
Den Vorwurf einzelner Supermarkt-Ketten, Hersteller würden Preise ungerechtfertigt erhöhen, betrachtet der IFH-Geschäftsführer differenziert. „Der Verdacht liegt nahe, dass Hersteller vorausschauend und eher zu früh als zu spät ihre Preise erhöhen“, sagt Hudetz. Jedoch müsse man auf den Einzelfall schauen, um Herstellern nicht Unrecht zu tun. Die Debatte werde durch intensiven Wettbewerb, Energiekosten und Inflation stark verschärft – eigentlich normale Marktdynamiken. Aber: In Krisensituationen intensiviere sich der Wettbewerb. „Das System ist ausgereizt“, sagt Hudetz dazu. Hitzige Preisverhandlungen und leere Regale sind das Ergebnis.