Wer viel Energie verbraucht, wird durch die Gas- und Strompreisbremse deutlich stärker entlastet als sparsame Privathaushalte. Das belegen Beispielrechnungen unserer Zeitung in Kooperation mit der Verbraucherzentrale (VZ) Baden-Württemberg. „Darin zeigt sich eine soziale Schieflage“, sagte VZ-Energieexperte Matthias Bauer. Die Besteuerung der Preisbremse, die die Bundesregierung für dieses Jahr plant, könnte das Problem teilweise lösen.
Im Prinzip wirken die Preisbremsen für Gas und Strom ab Jahresbeginn 2023. Um den Energieversorgern die nötige Zeit zur Umsetzung zu geben, treten sie zwar erst im März offiziell in Kraft, gelten dann aber rückwirkend ab 1. Januar. Für 80 Prozent der im Vorjahr verbrauchten Menge dürfen die Versorger Privathaushalten und Firmen dann nur 12 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Erdgas in Rechnung stellen und 40 Cent pro kWh Strom. Für einen höheren Verbrauch gilt der Marktpreis.
Einen Privathaushalt mit niedrigem Verbrauch entlasten die Preisbremsen um 848 Euro im Jahr (siehe Tabelle). Ein Haushalt mit hohem Verbrauch profitiert mit einer Ersparnis von 2160 Euro. Je mehr der individuelle Energiekonsum reduziert wird, desto mehr wächst der Abstand. Bei 80 Prozent der früheren Gas- und Strommenge spart ein Kleinverbraucher 1492 Euro, ein Großverbraucher jedoch 3900 Euro.
Weil die Preisreduzierung pro Kilowattstunde für alle Haushalte gleich ist, sparen Großverbraucher automatisch mehr Geld als Kleinverbraucher. In vielen Fällen bedeutet das andererseits auch, dass Privathaushalte mit hohen Einkommen stärker begünstigt werden als Bürger mit niedrigen Einkommen. Denn erstere wohnen oft in großen Häusern oder Wohnungen, während letztere sich mit weniger Quadratmetern begnügen müssen.
Daraus ergibt sich die Frage, ob Großverbraucher mit hohen Einkommen so subventioniert werden sollten. „Nein“, sagte VZ-Experte Bauer, „oberhalb eines bestimmten Verbrauchs sollte der niedrigere Preis nicht mehr gelten.“ Bauer spricht sich für eine Verbrauchsobergrenze bei der Preisbremse aus.
Eine solche plant die Bundesregierung nicht. Wohl aber will die Ampel-Koalition die Preisbremse in gewissem Maße der Einkommensteuer unterwerfen. Die Einsparbeträge für Haushalte mit hohen Einkommen werden dann als zu versteuernde Einnahmen gewertet, was deren Begünstigung verringert. Wann die vereinbarte Besteuerung wirksam wird, ist aber unklar.
Wie gestern veröffentlichte Daten des Vergleichsportals Check24 zeigen, dämpfen die Preisbremsen zwar die Kosten für Millionen von Verbrauchern. Trotzdem schrecken die Versorger nicht zurück, weiter kräftig an der Preisschraube zu drehen – schließlich sind nur 80 Prozent des Vorjahresverbrauchswertes gedeckelt.
Beispiel Strom: Für 2023 gibt es trotz Berücksichtigung der Strompreisbremse 680 Fälle von Preiserhöhungen in der Stromgrundversorgung, hat Check24 ermittelt. Betroffen sind demnach rund 8,8 Millionen Haushalte, die Erhöhungen betragen im Schnitt 38,1 Prozent im Vergleich zum 30. September. Ohne die Strompreisbremse hätten Verbraucher in diesen Fällen aber 57,6 Prozent mehr zahlen müssen.
Ähnlich ist der dämpfende Effekt beim Gas: Für 2023 gibt es den Angaben zufolge trotz Preisbremse 397 Fälle von Preiserhöhungen in der Gasgrundversorgung, betroffen sind rund 3,2 Millionen Haushalte. Check24 hat hier Preiserhöhungen von durchschnittlich 25,2 Prozent im Vergleich zum 30. September ermittelt. Aber auch hier zeigen die Daten: Ohne Preisbremse hätten Verbraucher 60,8 Prozent mehr zahlen müssen als Ende September.
Gleichzeitig gibt es Gasanbieter, die ihre Grundversorgertarife sogar gesenkt haben: „Bei 150 Gasgrundversorgern zahlen Kundinnen und Kunden unter Berücksichtigung der Gaspreisbremse 2023 weniger als im September 2022“, so die Check24-Experten. Die Entlastung betrage im Schnitt 7,1 Prozent. Ohne Berücksichtigung der Gaspreisbremse wären die Preise um 20,9 Prozent gestiegen.