Dax startet wohl etwas übereifrig ins neue Jahr

von Redaktion

VON CHRISTIAN FREYBOTT

Mit über 15 000 Punkten steht der Leitindex Dax so hoch wie seit Februar vergangenen Jahres nicht mehr, als sich in der Ukraine bereits der Krieg anbahnte. Im neuen Jahr hat er rund acht Prozent zulegen können. „Nach unseren Berechnungen ist es der beste Jahresbeginn seit der Einführung des Dax“, sagt Joachim Schallmayer, Aktienexperte der Deka-Bank. Das ist überraschend, zumal in dieser von Unsicherheit und Inflation geprägten Zeit. Doch woher rührt die Zuversicht?

Zum Teil sei es schlicht ein Kalendereffekt, sagt Deka-Experte Schallmayer. Denn während Anlegerinnen und Anleger zum Jahresende meist die Füße stillhielten, mache sich zum Jahresanfang neue Risikobereitschaft breit. Dieser psychologische Effekt lasse sich Jahr für Jahr beobachten.

„Auf der anderen Seite verteilen die großen institutionellen Investoren zu Jahresbeginn ihre Risikobudgets neu“, sagt Olaf Stotz, Professor für Vermögensmanagement an der Frankfurt School of Finance. Das heißt, dass etwa Pensionsfonds, Lebensversicherer und Banken neue Geldberge bewegen können. Das belebe auch bei Risikoanlagen wie Aktien die Nachfrage – und folglich die Kurse.

Dass es an der Börse zum Jahresbeginn bergauf geht, ist also keine Seltenheit. In diesem Jahr aber legte der Dax schon einen außergewöhnlich guten Start hin. Zum Neujahreseffekt gesellten sich Daten zu Inflation und Wirtschaftswachstum, die aus Marktsicht teils besser ausfielen als erwartet. „Es gibt immer zwei Komponenten am Kapitalmarkt: die Stimmung und die fundamentalen Daten“, sagt Joachim Schallmayer. Die Konjunktur sei zuletzt weniger stark eingebrochen, die Inflation etwas zurückgegangen. „Das heißt nicht, dass das Umfeld jetzt ein viel besseres wäre“, sagt der Deka-Experte. Aber das „supernegative Momentum“ der vergangenen Monate lasse zumindest etwas nach.

Bei Anlegerinnen und Anlegern könne man immer wieder die Tendenz beobachten, kurzfristige Entwicklungen deutlich zu hoch zu bewerten, sagt Stotz, der auch zu Verhaltensökonomik forscht. „Sie suchen sich einfach die Nachrichten raus, die zum aktuellen Trend passen.“ Aus dem Höhenflug der Aktienmärkte Rückschlüsse für den weiteren Jahresverlauf zu ziehen, sei jedoch eine heikle Rechnung. Denn ein guter Start mache längst noch kein gutes Jahr.

Gefahrenpole wie der Ukraine-Krieg blieben unverändert bestehen, warnt Stotz. Auch eine schwächelnde Inlandsnachfrage könne die deutsche Wirtschaft und damit den Aktienmarkt empfindlich treffen. „Denn wenn die großen staatlichen Unterstützungsprogramme auslaufen, werden die wahren Folgen der Krise erst sichtbar.“ Auch Schallmayer geht davon aus, dass sich der Höhenflug bald einem „Realitätscheck“ unterziehen müsse. Er ist sich sicher: „2023 wird ein Aktienmarktjahr, das weiter von hohen Unsicherheiten geprägt ist.“

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