Teure Fehler beim Vererben vermeiden

von Redaktion

VON WOLFGANG DE PONTE

Der Jahreswechsel ist für viele ein Anlass, grundsätzliche Dinge anzugehen, zum Beispiel ein Testament. Patentlösungen gibt es dafür nicht: Denn jede Familie, jeder Fall liegt anders. Deshalb braucht ein Entscheidungsprozess Zeit und oft auch guten Rat. Zum Beispiel von einem Experten wie Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht e.V. Er meint: Beim Vererben sollte man sich nicht allein um das Thema Steuern kümmern. „Wenn man etwas erbt, muss man im schlimmsten Fall 30 Prozent Steuer zahlen, hat also immer noch 70 Prozent Eigenkapital – damit lässt sich ein Haus meist finanzieren“, meint Grötsch. „Natürlich muss man die Kosten dafür aufbringen, aber das ist in den meisten Fällen möglich.“ Aus seiner Erfahrung ist die steuerlich optimale Lösung nicht immer auch die sinnvollste. Denn wenn sie Streit verursache, könne das finanziell weit größeren Schaden anrichten. Der Experte fasst die wichtigsten Regeln beim Vererben zusammen.

Beratung

Das Erbrecht ist kompliziert und tückisch. 90 Prozent der letztwilligen Verfügungen sind unklar, unvernünftig oder gar unwirksam, so die Erfahrung des Spezialisten. Deshalb lohnt sich eine professionelle Beratung auf jeden Fall in schwierigeren Fällen. Wer Angst vor den Beratungskosten hat, sollte sie vorab erfragen, so Grötsch. „Erzählen Sie, worum es geht. Danach sollten Sie in jeder guten Erbrechtskanzlei Auskunft darüber bekommen, was eine Erstberatung, in der abgeklärt wird, welche Probleme da sind, kostet.“ Die Kosten für die eigentliche Beratung hängen dann im Regelfall von der Höhe des Vermögens und dem Aufwand ab. Grötschs Tipp: Vereinbaren Sie eine Pauschale.

Testament

Der letzte Wille kann durch privatschriftliches oder notarielles Testament oder durch notariellen Erbvertrag zur Geltung gebracht werden. Vorsicht: Der Erbvertrag bindet. Mancher hat dessen Abschluss schon bereut. In der Regel ist es besser, nur ein Testament zu errichten, welches man jederzeit wieder ändern kann. Wichtig: „Ein Testament nützt nichts, wenn es nach dem Tod des Erblassers nicht gefunden wird“, warnt Grötsch. Sein Tipp: „Hinterlegen Sie ihr Testament beim Nachlassgericht.“ Das kostet 75 Euro. Die Aufnahme des Testaments im Nachlassregister kostet pro Person 18 Euro. Im Todesfall ruft dort das Nachlassgericht (zu dem der Wohnort des Toten gehört) das oder die Testamente ab. Wichtig ist auch, dass man eine Kopie des Originals zu Hause aufbewahrt – möglichst mit dem deutlichen Hinweis „Kopie“ und einem Verweis auf das Nachlassgericht, wo es hinterlegt wurde.

Bedarf

Wer sollte unbedingt ein Testament machen? Grötsch: „Grundsätzlich jeder, der Kinder hat. Denn wenn man als junger Mensch stirbt, erben die Kinder gleich neben dem Ehegatten mit. Und das kann kompliziert werden. Wenn es beispielsweise Immobilien gibt, braucht man gerichtliche Genehmigungen oder einen Ergänzungspfleger wenn man darüber verfügen will. Das lässt sich vermeiden, wenn man im Testament sicherstellt, dass der länger lebende Elternteil frei verfügen kann – unabhängig von Dritten. Das muss aber nicht heißen, dass die Kinder nichts bekommen. Dann kann man zum Beispiel durch die Bestellung eines Testamentsvollstreckers die damit verbundenen Schwierigkeiten vermeiden.“

Überprüfung

Teilweise sind Testamente gemacht worden, als die Werte noch nicht so hoch waren – zum Beispiel bei Immobilien. Gegebenenfalls müssen deshalb Testamente aktualisiert und angepasst werden. Grötsch empfiehlt, das Testament alle drei bis fünf Jahre oder bei wirtschaftlichen Änderungen zu prüfen. Ändert man etwas, sollte man entweder ein ganz neues Testament oder (wenn es nur um Kleinigkeiten geht) nur ein Änderungstestament ans Nachlassgericht schicken. Eventuell kann es auch sinnvoll sein, das alte Testament wieder abzuholen. Denn wenn zum Beispiel im ersten Testament ein Freund bedacht wird, der dann im zweiten nichts mehr bekommt, dann erfährt dieser bei einer Abänderung trotzdem, dass er ursprünglich erben sollte, weil er als Genannter das Testament zugesandt bekommt.

Fehler

Der häufigste Fehler? Grötsch: „Das ist der, gar kein Testament zu machen.“ Denn ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge, häufig mit unangenehmen Überraschungen. So beerben sich kinderlose Ehepartner nicht gegenseitig allein, sondern der Überlebende erbt zusammen zum Beispiel mit seinem Schwiegervater oder Schwager. Gesetzliche Erbfolge bedeutet häufig auch Bildung einer Erbengemeinschaft, ein Konfliktherd ersten Ranges. Ein kluges Testament hilft Frieden zu stiften, so etwa durch Teilungsanordnung, Vermächtnis, Vorausvermächtnis oder ein sogenanntes Nießbrauchsvermächtnis.

Berliner Testament

Das Berliner Testament gilt zwar als Klassiker – kann sich aber steuerlich sehr ungünstig auswirken, wie dieses Beispiel zeigt: Ein Ehepaar hat ein gemeinsames Haus im Wert von 800 000 Euro und ein Kind. Beide setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein. Erbe des Längerlebenden ist das Kind. Wenn ein Elternteil stirbt, passiert im ersten Erbfall nichts – das Familienheim ist steuerbefreit. Im zweiten Erbfall erbt das Kind 800 000 Euro, der Freibetrag beträgt 400 000 Euro, 400 000 Euro muss das Kind versteuern – mit 15 Prozent, das sind 60 000 Euro. Das kann man aber, so Grötsch, auch geschickter regeln: Im ersten Fall bekommt das Kind den Miteigentumsanteil des Verstorbenen, der länger Lebende bekommt den Nießbrauch. Das Kind nutzt so den Freibetrag gegenüber dem Erstversterbenden, im zweiten Erbfall dann den gegenüber dem Zweitversterbenden und spart sich damit 60 000 Euro Steuern.

Bindungswirkung

Ehegatten können zusammen in einem sogenannten gemeinschaftlichen Testament über ihr Vermögen verfügen. Ein wichtiger Punkt dabei wird oft übersehen: Darf der Überlebende die gemeinsam getroffenen Regelungen für seinen Erbfall wieder ändern? Eine schwierige Entscheidung, weil es um die Zukunft geht, die man nicht kennt. Die Eheleute müssen sich gut überlegen, ob sie sich gegenseitig Verfügungsfreiheit einräumen oder die Regelung lieber festklopfen, das heißt, den Überlebenden binden wollen. Grötsch: „Das ist vor allem bei Jüngeren wichtig, die ja, wenn der Partner etwa bei einem Unfall ums Leben kam, noch 30 oder 40 Jahre leben, und die das Erbe dann gerne ganz anders gestalten würden, aber es nicht können. Ältere können aber durch ein gemeinsames Testament auch geschützt sein, zum Beispiel vor Änderungswünschen von Erbschleichern.“

Artikel 3 von 5