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Pflichtteil wegen groben Undanks?

von Redaktion

Grundsätzlich können Sie als Reaktion auf das Verhalten Ihrer Tochter diese in einem Testament als Erbin ausschließen, indem Sie einen anderen Erben benennen oder Ihre Tochter ausdrücklich enterben; damit bliebe Ihrer Tochter nur der Pflichtteil.

Ihre Testierfreiheit könnte allerdings beschränkt sein, wenn Sie mit Ihrem verstorbenen Ehemann in einem gemeinschaftlichen Testament oder einem Erbvertrag Ihre gemeinsame Tochter als alleinige Schlusserbin eingesetzt haben. In diesem Fall könnte die Schlusserbeneinsetzung Ihrer Tochter als sogenannte wechselbezügliche oder vertragsmäßige Verfügung nach dem Tod Ihres Ehemannes vor sechs Jahren für Sie bindend geworden sein mit dem Ergebnis, dass die Enterbung Ihrer Tochter durch ein neues Testament wie eingangs skizziert nicht mehr möglich ist.

Etwas anderes könnte gelten, wenn Sie in dem Testament oder Erbvertrag mit Ihrem Ehemann ausdrücklich einen Änderungsvorbehalt geregelt haben, wonach der überlebende Ehepartner nach dem Eintritt des ersten Erbfalls berechtigt sein soll, die Schlusserbeneinsetzung aufzuheben oder abzuändern.

Falls das nicht der Fall ist, ist an die Möglichkeit einer Anfechtungsklage vor dem Nachlassgericht wegen Erbunwürdigkeit Ihrer Tochter zu denken, was aber ausscheidet, weil Ihre Tochter nicht Erbin geworden ist und im Übrigen würde das undankbare Verhalten Ihrer Tochter keinen der gesetzlichen normierten Anfechtungsgründe erfüllen, die im Wesentlichen nur strafrechtlich relevantes schweres Fehlverhalten sanktionieren.

Zuletzt wäre daran zu denken, dass Sie Ihre Verfügung gerichtlich wegen Irrtums anfechten, mit der Sie Ihre Tochter zur alleinigen Schlusserbin eingesetzt haben, weil Sie zum Zeitpunkt der Regelung erwartet hatten, dass Ihre Tochter Sie die Enkelkinder sehen lässt. Grundsätzlich berechtigt im Erbrecht auch ein sogenannter Motivirrtum zur Anfechtung. Ob dies hier ausreichend ist, ist eher fraglich.

Dazu kommt, dass die Anfechtung nur innerhalb eines Jahres gerichtlich geltend gemacht werden kann ab Kenntnis der die Anfechtung begründenden Umstände, sodass diese Frist, nachdem Sie die Enkelkinder seit vier Jahren nicht mehr sehen dürfen, wohl verstrichen sein dürfte. Zudem würde die Rechtsfolge einer solchen Anfechtung sein, dass nicht nur isoliert die Schlusserbeneinsetzung Ihrer Tochter, sondern gegebenenfalls der Erbvertrag oder die wechselbezügliche Verfügung insgesamt nachträglich unwirksam wäre, sodass in der Erbfolge nach dem Tod Ihres Ehemanns nachträglich die gesetzliche Erbfolge eintreten würde und damit Sie und Ihre Tochter gemeinsam erben würden.

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