Diese Woche standen die Finanzmärkte zunächst im Bann der Zinserhöhungsspekulationen, nachdem die Kerninflationsrate im Euroraum mit 5,6 Prozent ein neues Rekordhoch erreicht hatte. Zusätzlich heizte auch US-Notenbankchef Jerome Powell die Zinserhöhungsfantasien an, als er in seiner Rede vor dem Bankenausschuss des Senats avisierte, dass man das Zinsniveau doch noch höher schrauben muss, als noch vor ein paar Wochen gedacht. Ein nach wie vor enger Arbeitsmarkt, eine drohende Lohnpreisspirale und die hohe Kapazitätsauslastung bei den Unternehmen erhöhen den Preisdruck und setzen die Notenbanken unter Zugzwang. Mittlerweile preisen die Geldmarktfutures Zinserhöhungen auf über 4 Prozent in der Eurozone und über 5,5 Prozent in den USA ein. Das sind gut 0,5 Prozent Punkte mehr als noch zu Jahresbeginn.
Für die EZB-Sitzung in der kommenden Woche erwartet der Markt jetzt einen Zinsschritt um weitere 0,5 Prozentpunkte. Auch für die Sitzung im Mai zeichnet sich ein weiterer 0,5-Prozent-Schritt ab, auch wenn dies am kommenden Donnerstag noch nicht angekündigt werden dürfte.
Dementsprechend sind die Renditen für zweijährige Staatsanleihen in dieser Woche zwischenzeitlich auf über 5 Prozent in den USA und über 3,3 Prozent für Deutschland gestiegen.
Erstaunlicherweise zeigte sich der Aktienmarkt zunächst sehr robust, wozu auch verbesserte Frühindikatoren und eine besser als befürchtete Gewinnsaison beigetragen haben. Die Unternehmensgewinne im vierten Quartal lagen in den USA und in Europa dennoch unter Vorjahr. Auf dem seit Jahresbeginn gestiegenen Kursniveau drückt das auf die Gewinnrendite und macht ein Aktieninvestment im Vergleich zu Anleihen weniger attraktiv.
Die sogenannte Risikoprämie für einen Aktieninvestor, also die Differenz zwischen der Aktien-Gewinnrendite und der „sicheren“ Rendite zehnjähriger Staatsanleihen, ist in den USA aktuell so niedrig wie zuletzt vor der Finanzkrise 2008. In den USA notiert die Rendite zweijähriger Staatsanleihen mittlerweile drei Prozentpunkte über der Dividendenrendite des S&P 500. In Deutschland liegt die zweijährige Rendite auf dem Niveau der Dividendenrendite. Noch vor 12 Monaten lag sie mehr als drei Prozentpunkte darunter.
Der zunehmende Wettbewerb der Assetklassen und die niedrigen Risikoprämien mahnen also zur Vorsicht. Zudem signalisieren monetäre Indikatoren wie die markant inverse Zinsstruktur und das negative Geldmengenwachstum, dass der geldpolitische Straffungszyklus nicht spurlos an der Realwirtschaft vorbeiziehen wird.
Nachdem bislang neben dem Immobiliensektor insbesondere der Wagniskapital- und der Kryptowährungen-Sektor von dem globalen Zinserhöhungszyklus negativ betroffen waren, sind vermehrt Folgeeffekte der Krise der Start-Ups und in der Bankenwelt zu erkennen. Allerdings erwartet der Konsens der Ökonomen nunmehr keine Rezession im Euroraum und den USA, sondern allenfalls eine Konjunkturdelle.