Keine Systemkrise: Zinsen werden weiter steigen

von Redaktion

VON CARSTEN MUMM

Die ungewissen Entwicklungen einiger Banken in den USA und Europa stehen an den internationalen Börsen weiterhin im Mittelpunkt des Interesses. Zwar wurde offensichtlich, dass die drastischen Zinswenden seit Frühjahr beziehungsweise Sommer letzten Jahres erhebliche Belastungen für Finanzinstitute mit sich bringen – zu Kursverlusten bei Staatsanleihen und Aktien kommen höhere Refinanzierungskosten, ein schleppendes Kreditgeschäft, geringere Zinserträge aufgrund kaum vorhandener Zinsdifferenzen zwischen kurzen und langen Laufzeiten (Fristentransformation) sowie perspektivisch steigende Kreditausfälle im Zuge einer schwächeren Konjunktur und steigender Zinsen. Allerdings hat sich das System auch als robust erwiesen.

Nicht zuletzt hat das schnelle und konsequente Eingreifen von staatlicher Seite eine Ansteckung über konkret betroffene Institute hinaus vermieden. Weitere vereinzelte Bankenpleiten in den USA sind nicht auszuschließen, es deutet aber derzeit nichts auf eine größere systemische Krise hin, die mit den Jahren 2008 und 2009 vergleichbar wäre.

Die Notenbanken werden daher bis auf weiteres ihre geldpolitischen Straffungszyklen beibehalten. Entsprechend wurden zuletzt nicht nur in der Eurozone, sondern auch in Großbritannien, der Schweiz und den USA die Leitzinsen weiter angehoben. Der Fokus liegt nach wie vor auf der Bekämpfung der deutlich zu hohen Inflationsraten durch Zinsanhebungen und damit eine Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.

Und tatsächlich haben sich die konjunkturellen Perspektiven zuletzt wieder etwas eingetrübt. Die Ergebnisse von Umfragen unter Unternehmen, die sich in Einkaufsmanagerindizes widerspiegeln, zeigten für die Eurozone und Deutschland eine nachlassende Wachstumsdynamik in der Industrie an. Zwar befinden sich die Dienstleistungssektoren weiterhin auf Expansionskurs, allerdings dürfte eine anhaltend schwächere Entwicklung in der Industrie auch hier zunehmend Bremsspuren hinterlassen. Vor diesem Hintergrund kommt der Veröffentlichung des ifo-Geschäftsklimaindex in der kommenden Woche eine hohe Bedeutung zu.

Zudem gibt der GfK-Konsumklimaindex ein Bild über die Entwicklung des privaten Verbrauchs ab.

Einen Eindruck von den aktuellen Inflationsdynamiken werden die März-Verbraucherpreisdaten für Deutschland und die Eurozone liefern. Angesichts zuletzt deutlich gefallener Rohstoff- und Energiepreise sind zwar sinkende nominale Inflationsraten zu erwarten. Die jeweiligen Kernraten der Inflation ohne die schwankungsanfälligen Komponenten Energie und Nahrungsmittel stiegen jedoch zuletzt weiter an. Solange hier keine Entlastung erfolgt, werden die Notenbanken an ihrem geldpolitischen Kurs wohl nichts ändern und nur im Notfall dem Finanzsektor stabilisierend zur Seite springen.

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