Pflege Angehöriger erhöht die Rente

von Redaktion

VON ROLF WINKEL

Es ist eine Art gesellschaftlicher Handel: Wenn Menschen privat gepflegt werden, spart sich die Pflegekasse eine Menge Geld – und finanziert den Pflegenden dafür eine höhere Rente. Normalerweise erlischt dieser Anspruch für Pflegende jedoch mit dem Eintritt des Rentenalters – außer man bedient sich eines einfachen Winkelzugs.

Der Teilrenten-Trick

Wer noch nicht das reguläre Rentenalter erreicht hat und jemanden mit (mindestens) Pflegegrad 2 betreut, kann durch die Pflege ein Rentenplus erwerben. Das ändert sich nach Erreichen der regulären Altersgrenze, die schrittweise auf 67 Jahre ansteigt. Das Rentengesetz regelt nämlich: Versicherungsfrei ist, wer „nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, eine Vollrente wegen Alters“ bezieht. Diese Regelung kann mit einem minimalen Rentenverzicht ausgehebelt werden. „Mit der Wahl einer Teilrente von bis zu 99,99 Prozent können Pflegende erwirken, dass die Pflegekasse, auch nachdem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, weiterhin Beiträge zur Rentenversicherung zahlt“, erklärt die Deutsche Rentenversicherung.

99,99 Prozent-Rente

Nach der neuesten Rechtsauslegung der Rentenversicherung werden Vollrentner schon dann zum Teilrentner, wenn sie auf nur 0,01 Prozent der Rente verzichten. Bis vor Kurzem forderte die Versicherung einen Verzicht auf mindestens 1,00 Prozent. Der Wandel der Rechtsposition geht auf ein Urteil des Landessozialgerichts München zurück, das eine 79-jährige Rentnerin erstritten hatte (Bayerisches LSG 14.09.2021 – L 6 R 199/19). Wer aufgrund der bisherigen Rechtsauslegung eine 99-Prozent-Rente bezieht, verzichtet auf bares Geld. Es lohnt sich, die 99,99-Prozent-Rente zu beantragen – mehr dazu unter dem Punkt „Teilrentenantrag“.

Der Ertrag in Zahlen

Bei einer Bruttorente von 1200 Euro monatlich muss eine pflegende Rentnerin eine Rentenkürzung um ganze 12 Cent hinnehmen. Das geht durch ein formloses Schreiben an die Rentenversicherung. 12 Cent im Monat, das macht 1,44 Euro im Jahr. Der minimale Verlust ist übrigens nur temporär. Nach dem Ende der Pflegezeit kann die Rente wieder „hochgefahren“ werden. Soweit die Rechnung zum Rentenverzicht. Dem steht ein deutliches Rentenplus ab dem Juli des Folgejahres gegenüber. Wer beispielsweise einen Angehörigen mit Pflegegrad 3 ohne Beteiligung eines Pflegedienstes 2022 das ganze Jahr über gepflegt hat, erhöht seine Monatsrente ab dem Juli 2023 um 15,27 Euro, aufs Jahr bezogen ist das ein Rentenplus von 183,24 Euro.

Verspätungszuschlag

Hierauf gibt es noch eine Art „Verspätungszuschlag“, weil dieser Teil der Rente ja erst nach dem regulären Rentenalter bezogen wird – häufig erst in hohem Alter. Für einen 75-jährigen Rentner beträgt dieser Zuschlag schon 60 Prozent. Dann werden aus einem Rentenplus von 183 Euro sogar 293 Euro. Dass sich der minimale Rentenverzicht fast immer lohnt, liegt auf der Hand.

Voraussetzung

Damit die Zeit der Pflege Rentenansprüche bringt, gilt weiterhin, dass der oder die Betreute mindestens Pflegegrad 2 hat, die Pflege an mindestens zwei Wochentagen anfällt und insgesamt mindestens zehn Stunden pro Woche umfasst. Wie hoch die erworbenen Rentenansprüche sind, hängt vor allem vom Grad der Pflegebedürftigkeit des Angehörigen ab. Zudem spielt es eine erhebliche Rolle, ob zur Pflege ein Pflegedienst (mit) hinzugezogen wurde oder nicht.

Betriebsrente

Wer eine Teilrente wählt, sollte seine Betriebsrente (falls vorhanden) im Blick haben. Der Teilrentenbezug kann nämlich Folgen für die betriebliche Altersversorgung haben. Tipp: Vorab beim Ex-Arbeitgeber beziehungsweise Versorgungsträger eine Rechtsauskunft einholen.

Frührentner

Wer noch nicht das reguläre Rentenalter erreicht hat und einen Angehörigen pflegt, erwirbt – wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind – in jedem Fall ein Rentenplus. Ein Wechsel in eine Teilrente ist nicht erforderlich.

Teilrentenantrag

Den Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung kann man ganz formlos stellen. Wichtige Angaben sind Rentenversicherungsnummer, Geburtsdatum und Adresse. Ab dem Folgemonat muss dann Ihre Teilrente umgestellt werden. Die Deutsche Rentenversicherung verschickt dann einen Bescheid über den Wechsel in die Teilrente zu. Der ist wichtig, weil die Pflegekasse ihn später verlangt.

Pflegekassenantrag

Zunächst muss man sich von der Pflegekasse den Gepflegten den „Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen“ zuschicken lassen. Je nach Kasse heißt der Fragebogen auch geringfügig anders. Die für Rentner, die das reguläre Rentenalter erreicht haben, entscheidende Frage lautet (mit geringen Abweichungen zwischen den Kassen):

„Beziehen Sie eine Vollrente wegen Alters oder eine vergleichbare Leistung nach Erreichen einer Altersgrenze?“ Hier gibt es bei manchen Kassen nur die Antwortmöglichkeiten „Ja“ oder „Nein“. Falls man derzeit noch eine Vollrente beziehen und gerade eine 99,99-Prozent-Teilrente beantragt hat, kann man hier handschriftlich eintragen: „in diesem Monat noch Vollrente, ab kommendem Monat nur noch eine Teilrente.“ Dazu sollte man dem Schreiben an die Pflegekasse als Anlage zum Fragebogen auch eine Kopie Ihres Antrags auf Wechsel in eine 99,99-Prozent-Teilrente beilegen – siehe „Teilrentenantrag“.

Möglicherweise wird die Pflegekasse nun sofort die Beitragszahlung an die Deutsche Rentenversicherung aufnehmen. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Kasse erst einen Zwischenbescheid verschickt und den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung über den Wechsel in die Teilrente verlangt. Meist entscheidet die Pflegekasse erst dann, ob die Pflegeperson auch rentenversicherungspflichtig ist.

Mehr Informationen

Finden sich im Internet unter www.biallo.de.

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