Verschiedene Marktdaten hatten es bereits angedeutet: Häuser und Wohnungen haben sich verbilligt. Erst vergangene Woche hatte das Internet-Portal Immowelt basierend auf Inseraten über einen Rückgang bei Eigentumswohnungen für München und den umliegenden Kreisstädten berichtet. Gestern hat der Maklerverband IVD Süd in München nachgelegt und seine Marktdaten aus dem Frühjahr veröffentlicht. Anders als Immowelt untersucht der Verband keine Angebotspreise, die oft höher sind als das, was am Ende tatsächlich vereinbart wird. Die Daten des IVD Süd basieren auf notariell beurkundeten Kaufpreisen – und sind vermutlich näher am tatsächlichen Marktgeschehen, da Fantasiepreise aus Inseraten hier keine Berücksichtigung finden.
Und die detaillierten Zahlen des IVD Süd belegen, was erwartet worden war: „Wir haben im Kaufimmobilienbereich im Umland erstmals deutlich Rückgänge“, sagte Stephan Kippes, Leiter des IVD Instituts, gestern bei der Präsentation des Zahlenwerks in München. Vielerorts verbilligten sich demnach sowohl Einfamilienhäuser als auch Eigentumswohnungen (siehe Tabelle).
Bei frei stehenden Einfamilienhäusern lag der Preisabschlag im Durchschnitt der Umland-Kreisstädte innerhalb von sechs Monaten laut IVD Süd bei minus 2,2 Prozent verglichen mit dem Herbst 2022. Vergleicht man die Preise innerhalb von zwölf Monaten, zeigt sich in einigen Monaten ein erheblicher Rückgang bei den Häusern. Grasbrunn: Minus 7,1 Prozent. Neufahrn: Minus 4,0 Prozent. Eichenau: Minus 10,0 Prozent. Gröbenzell: Minus 10,5 Prozent. Auch Eigentumswohnungen verbilligten sich in vielen Städten und Gemeinden.
Den Maklern fiel außerdem auf: Die Nachfrage nach älteren Häusern mit einer schlechten Energiebilanz beziehungsweie einem hohen Sanierungsbedarf ist aufgrund der extrem gestiegenen Preise für Erdgas, Öl und Strom deutlich gesunken, die Heizungsdebatte tat ihr übriges.
Und sie beobachteten: Es dauert inzwischen deutlich länger, bis Verkäufer von Immobilien einen Käufer gefunden haben. „Die Objekte bleiben länger im Regal“, sagte Kippes. „Die Vermarktungszeiten sind deutlich gestiegen, wir haben deutlich mehr Angebot.“ Offenbar fehlt bei manchen Verkäufern noch die Einsicht, dass Objekte jetzt nicht mehr zum ursprünglich geplanten Preis verkauft werden können.
Als Grund für die Trendwende am Immobilienmarkt nannte Kippes die höheren Zinsen. Aktuell läg der effektive Jahreszinssatz von Baufinanzierungen zwischen drei und vier Prozent.
Gleichzeitig bleibt das Preisniveau trotz der Rückgänge nach wie vor sehr hoch: Kippes betonte, dass die Preise aktuell in etwa auf Höhe des Jahres 2021 lägen – und bereits damals waren Immobilien in München und seinem Umland für viele nicht bezahlbar. Jetzt kommen die höheren Zinsen dazu. Wer eine Immobilie bisher gerade so finanzieren konnte, für den ist der Kauf eines Hauses oder einer Wohnungen wegen der verteuerten Kredite spätestens jetzt nicht mehr zu stemmen. „Menschen, die Wohnungen gekauft hätten, strömen jetzt auf den Mietwohnungsmarkt“, sagte Kippes.
Auf dem Mietmarkt nimmt der Druck in der Folge noch weiter zu. „Die Mieten steigen weiter. Das mag auf den ersten Blick etwas erklärungsbedürftig sein, ist aber völlig normal.“ Denn das liegt laut Kippes nicht nur an der höheren Nachfrage. „Der Mieter wird’s nicht glauben, aber in der Vergangenheit hatten wir bei Mieten deutlich niedrigere Anstiege als bei den Kaufpreisen“, sagte Kippes, er sieht weiter Luft nach oben. Für die Zukunft heißt das: „Bei den Mieten geht es weiter nach oben, bei den Kaufpreisen würde ich davon ausgehen, dass die noch etwas nach unten gehen.“
Die aktuelle Trendwende am Immobilienmarkt kennt damit nur Verlierer. Mieter müssen weiter mit steigenden Mieten rechnen, Verkäufer von Häusern und Wohnungen bekommen weniger Geld für ihre Objekte als noch vor einem Jahr, potenzielle Käufer haben nichts von billigeren Preisen, da sie wegen höherer Zinsen die Immobilien nicht mehr finanzieren können.
In Zukunft dürfte sich das Problem verschärfen. Die Nachfrage nach Wohnraum dürfte in der Region München in Zukunft noch zunehmen, glaubt Kippes, während gleichzeitig immer weniger neue Wohnungen entstehen. „Wir haben den Zuzugsdruck, der wird nicht weniger, es seit denn, die Wirtschaft wird abgewürgt, was niemand hofft.“ Und der gleichzeitige Anstieg von Zinsen und Baukosten hat laut IVD Süd dazu geführt, dass viele Bauvorhaben storniert oder temporär gestoppt wurden – der ohnehin knappe Wohnraum wird noch knapper. Kippes: „Da fürchten wir Schlimmes.“
Preisabschlag bei alter Heizung
Der Markt kennt gerade nur Verlierer