Wer neben der Rente arbeiten wollte, musste seinen Job früher lieben: Strenge Hinzuverdienstgrenzen machten die Altersarbeit wenig lukrativ. 2019 lagen sie gerade einmal bei 6300 Euro pro Jahr. Jeder Euro mehr wurde zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet. Danach stieg die Grenze immerhin auf 44 590 Euro. So wollte man in der Corona-Pandemie dringend benötigtes Personal zurück in Krankenhäuser, Seniorenheime und Arztpraxen locken.
Da der Fachkräftemangel nun überall grassiert, sind die Hinzuverdienstgrenzen 2023 komplett weggefallen. Frührentner können jetzt ohne Anrechnung auf die Rente so viel sie wollen hinzuverdienen. Eine „kleine Rentenrevolution“, urteilen die Experten von „Finanztest“. Deshalb lohnt es sich meist, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, trotzdem zu arbeiten – und so Rente und Lohn gleichzeitig zu kassieren. Möglich ist die Frührente ab 63 Jahren und mit mindestens 35 Beitragsjahren. Sie hat zwar Einbußen bei der Altersrente zur Folge, weil der reguläre Rentenbeginn nicht erreicht wurde (siehe Tabelle). Die werden jedoch oft dadurch ausgeglichen, dass die Rentenversicherung im Vorruhestand Zehntausende Euro zahlt.
Besonders lohnenswert ist die Frührente mit Hinzuverdienst jedoch für Beschäftigte, die 45 Versicherungsjahre vorweisen können, ab denen man abschlagsfrei in Rente gehen kann. „Wer auf 45 Versicherungsjahre kommt und das Mindestalter erreicht hat, sollte immer Frührente beantragen“, rät „Finanztest“. Das zeigen die Experten mit einer Musterrechnung: Dem Fall eines 1960 geborenen Angestellten, der 43 000 Euro brutto im Jahr verdient, was dem deutschen Durchschnittsgehalt entspricht. Geht er nach 45 Berufsjahren mit 64 Jahren und vier Monaten abschlagsfrei in Rente, hat er 1472 Euro Netto-Monatsrente. Bezieht er Frührente und arbeitet gleichzeitig voll weiter, bekommt er das Geld zusätzlich zu seinem Gehalt.
Würde er ohne Frührente Vollzeit weiterarbeiten, hätte er beim Beginn der Regelrente zwar 45 Euro mehr pro Monat. Bis er damit auf einen höheren Gesamtbetrag als die 35 328 kommen würde, die ihm die Rentenkasse als Frührente überweist, müsste er aber steinalt werden: Nämlich exakt 131 Jahre. In der Rechnung ist sein Lohn noch gar nicht berücksichtigt.
Doch was, wenn noch keine 45 Beitragsjahre erreicht sind? Besonders bei Akademikern, die erst spät in den Job starten, dann aber meist gut verdienen, ist das oft der Fall. Auch bei ihnen kann sich die Frührente laut „Finanztest“ lohnen – wobei sie hier eine kleine Wette auf die Lebensdauer sein kann.
Beispiel: Eine 1960 geborene Arbeitnehmerin mit mindestens 35 Arbeitsjahren und 64 704 Euro Jahreslohn brutto. Geht sie in Frührente und arbeitet gleichzeitig voll weiter, muss die Besserverdienerin zwar wegen dem vorzeitigen Renteneintritt später zwölf Prozent Abschlag bei der Altersrente hinnehmen. Statt 1945 bekommt sie dann nur 1781 Euro, 164 Euro im Monat weniger. Weil sie in der Frührente laut „Finanztest“ zusätzlich zu ihrem Gehalt aber schon 47 477 Euro ausgeschüttet bekam, muss sie älter als 90 werden, um durch ihr kleines Rentenminus unter dem Strich schlechter abzuschneiden.
Auch wenn diese Beispiele sehr lebensnah sind, seien sie keinesfalls allgemeingültig, so „Finanztest“. Wer deshalb genau wissen will, welches Modell für ihn am lukrativsten ist, sollte einen kostenlosen Beratungstermin bei der Rentenversicherung vereinbaren. Denn bei der Kalkulation sind immer individuelle Faktoren wie Anrechnungszeiten, das eigene Regelalter, die konkreten Rentenabschläge oder Steuern und Abgaben zu berücksichtigen.
Zudem hat nicht jeder Frührentner Lust, voll zu arbeiten. Doch auch hier haben die Finanzprofis gute Nachrichten: Wer normal verdiene und 45 Anrechnungsjahre habe, komme mit einem Teilzeitjob und Frührente oft besser weg, als ohne Frührente und dem Verbleib im Vollzeitjob. Und für Gutverdiener, die mit 63 in Rente gehen, ist Teilzeitarbeit ein gutes Zubrot – auch wenn man in den Job zurückkehrt, weil man sich zu Hause wider Erwarten dann doch langweilt.
Wer 45 Jahre versichert ist, profitiert immer
Bei der Rente ab 63 werden Abzüge oft ausgeglichen
Selbst Teilzeitjob kann unter dem Strich mehr bringen