Düsseldorf – Die hohe Inflation ist dabei, den Biohandel in Deutschland tiefgreifend zu verändern. „Es wird weiter Bio gekauft – aber billiger. Die Bereitschaft, höhere Preise für Bioprodukte zu bezahlen, hat angesichts der allgemeinen Preissteigerungen spürbar abgenommen“, beschreibt der Robert Kecskes vom Marktforschungsunternehmen GfK den Umbruch. Gewinner der Entwicklung seien vor allem die Discounter, Verlierer die Bio-Supermärke und Naturkostläden.
Während die Bio-Supermärkte und die Naturkostläden im vergangenen Jahr laut GfK ein deutliches Umsatzminus von gut 18 Prozent ausweisen mussten und renommierte Händler wie Superbiomarkt oder Basic den Gang zum Insolvenzgericht antraten, erzielten die Discounter bei Bio-Lebensmitteln und Bio-Getränken ein Plus von gut 11 Prozent. „Bei Bio zieht billig“, beschrieb das Branchenfachblatt „Lebensmittel Zeitung“ die Entwicklung.
„Angesichts der hohen Inflation entscheiden sich viele Kunden, die früher vor allem bei Bio-Fachhändlern gekauft haben, für unsere Produkte“, erklärt der Einkaufschef von Aldi Süd Erik Döbele die Situation und fügt hinzu: „Diese neuen Kunden wollen wir langfristig an uns binden.“
Aldi Süd hat wohl auch deshalb gerade eine neue Bio-Marke unter dem etwas gewöhnungsbedürftigen Namen „Nur nur Natur“ auf den Markt gebracht. Das Besondere: Die Produkte erfüllen „größtenteils“ die Kriterien des Öko-Verbandes Naturland und übertreffen damit deutlich die Kriterien des bisherigen Bio-Sortiments. Vielen Kunden, die bislang in Bio-Supermärkten und Naturkostläden einkaufen gingen, dürfte das entgegenkommen.
Konkurrent Lidl arbeitet sogar schon seit fünf Jahren mit dem Öko-Verband Bioland zusammen, dessen Ansprüche denen von Naturland ähneln. Aktuell sind in den Lidl-Filialen nach Unternehmensangaben bereits mehr als 100 Bioland-Produkte erhältlich.
Auch der zum Rewe-Konzern gehörende Discounter Penny kündigte bereits im Februar eine Kooperation mit Naturland an. „Wir sehen aktuell zwei Tendenzen. Zum einen ist die Nachfrage nach Bio-Produkten ungebrochen, trotz der auf breiter Front steigenden Lebenshaltungskosten.
Zum anderen nimmt dabei aber auch die Preissensibilität der Kundinnen und Kunden zu“, sagte der Rewe-Manager Philipp Stiehler. Die Folge: Im vergangenen Jahr steigerte die Rewe-Tochter ihren Bio-Umsatz nach eigenen Angaben um mehr als zehn Prozent.
Auch der zur Edeka-Gruppe gehörende Discounter Netto ist längst auf den Zug aufgesprungen. Auch viele Artikel seiner Biomarke Naturkind erfüllen nach Unternehmensangaben die Richtlinien von Anbauverbänden wie Bioland oder Naturland.
Für den klassischen Bio-Handel ist der Siegeszug der Discounter ein Problem. Der Gründer des Bio-Imperiums Alnatura Götz Rehn, sagte der „Lebensmittel Zeitung“, für viele Fachhandelsmarken und auch für viele Bioläden sei die Neuordnung eine große Herausforderung. „Bio ist nun überall“, meint er. Entscheidend für die Fachmärkte sei es nun, ob es ihnen gelinge, den Unterschied zwischen ihrem Angebot und dem Discount-Bio-Sortiment noch deutlicher zu machen. „Denn qualitativ ist das ein großer Unterschied“, meint der Alnatura-Gründer. dpa