Zentralbanker noch nicht am Ziel

von Redaktion

VON JÜRGEN MICHELS

Einmal mehr richtete sich der Fokus der Marktteilnehmer diese Woche auf die Zentralbanken. Dabei kamen die Spitzenvertreter der wichtigsten Notenbanken auf Einladung der Europäischen Zentralbank (EZB) im portugiesischen Sintra zusammen. Nahezu einstimmig betonten die Notenbanker dabei ihre Bestimmtheit, die Preisstabilität wiederherstellen zu wollen. Sowohl Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, als auch EZB-Chefin Lagarde machten dabei deutlich, dass sie im Juli die Zinsen nochmals anheben werden und dass sie bereit sind auch danach noch weitere Schritte zu gehen. Es wurde aber auch deutlich, dass es nach den Juli-Erhöhungen der Zinsen keinen Automatismus für weitere Zinsschritte gibt und das weitere Vorgehen nun davon abhängig ist, wie sich die Daten, insbesondere die Inflation, entwickeln. Die Wirtschaftsdaten, die diese Woche veröffentlicht wurden, machten dabei deutlich, dass sich die massiven Zinserhöhungen des vergangenen Jahres zunehmend – wie auch von den Zentralbanken gewünscht – bremsend auf die Nachfrage auswirken. So ist der am Montag veröffentlichte ifo-Index deutlich stärker als erwartet zurückgegangen. Das Geschäftsklima ist im Juni auf 88,5 Punkte gefallen, nach 91,5 Punkten im Mai. Die Erwartungen für die künftigen Geschäfte fielen zudem deutlich pessimistischer aus. Die Unternehmen bewerteten auch ihre aktuelle Lage schlechter, besonders in der Industrie. Und die Geld- und Kreditdaten für den Euro-Raum, die am Mittwoch veröffentlich wurden, haben gezeigt, dass sich der Trend der abnehmenden Kreditdynamik fortsetzt. Auch die am Freitag veröffentlichten Inflationsdaten für die Eurozone zeigen mit einem etwas stärker als vom Konsens erwarteten Rückgang von 6,1 Prozent im Mai auf 5,5 Prozent im Juni in die richtige Richtung – obwohl die schon vorab berichtete deutsche Inflationsrate unter anderem wegen Sondereffekten wie dem 9-Euro-Ticket und dem Tankrabatt im letzten Jahr zuletzt gegen den Trend etwas gestiegen ist. Doch aufgrund des erneuten Anstiegs der Kerninflationsrate von 5,3 Prozent auf 5,4 Prozent dürfte sich die Freude der Zentralbanker in Grenzen halten. Wir erwarten jedoch, dass sowohl die sinkende Nachfrage als auch eine Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt zu einem Rückgang des unterliegenden Inflationsdrucks führen. Dies dürfte sich über den Sommer in den Kerninflationsraten widerspiegeln. Daher gehen wir davon aus, dass nach dem Nachschlag von 25 Basispunkten im Juli der Zinserhöhungszyklus der Fed und der EZB zu Ende geht. Da jedoch die angestrebte Zweiprozent-Marke so schnell nicht erreicht werden wird, wird es dieses Mal kein Zinsgipfel sein, sondern die Zentralbankzinsen werden auf einem Zinsplateau verharren. So rechnen wir erst Mitte 2024 mit einer ersten Zinssenkung der Fed und die EZB dürfte erst Ende 2024 das Plateau wieder verlassen. In diesem Umfeld einer sich abzeichnenden Abschwächung der Konjunktur und einer ausbleibenden Entlastung durch die Geldpolitik halten wir daher an unseren vorsichtigen Aktienmarktprognosen fest. Diese beinhalten – wie nach dem „Presidential Election Cycle“ in US-Vorwahljahren üblich – für das zweite Halbjahr eine Konsolidierung.

Artikel 5 von 5