Die Nahrungsmittelhersteller haben schon vor Jahren Besserung versprochen, aber in Fertigprodukten für Kinder stecken noch immer zu viel Zucker, Fette und Salz. Das ergab eine Studie des Max-Rubner-Instituts sowie des Bundeslandwirtschaftsministeriums, deren Ergebnisse Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) jetzt vorstellte.
Das Ergebnis: Produkte mit Kinderoptik enthalten teils mehr Zucker oder Fett als vergleichbare Artikel, die sich nicht explizit an Kinder richten. So enthalten etwa Frühstückscerealien für Kinder mit im Schnitt 17 Gramm Zucker pro 100 Gramm mehr Zucker als der Durchschnitt aller Cerealien mit 14,7 Gramm. Kindergetränke, die ohnehin schon viel Zucker enthalten, wurden noch einmal süßer. Seit 2019 stieg das obere Viertel der Zuckergehalte von 7,4 Gramm pro 100 Milliliter auf 8,4 Gramm. Und auch bei anderen Produkten, die sich direkt an Kinder wenden, hat sich die Fett- und Zuckerbilanz negativ entwickelt.
. Waffelgebäck: Produkte mit Kinderoptik wiesen innerhalb des Waffelgebäcks den höchsten medianen Fettgehalt auf.
. Müsliriegel/Frühstücksflocken: Für die ganze Produktgruppe sei eine signifikante Zuckerreduktion zu sehen, erläuterte Institutsleiter Pablo Steinberg – im Mittel von 18,4 Gramm 2016 auf nun 14,7 Gramm pro 100 Gramm. Jedoch stieg der mittlere Fettgehalt von 9,2 auf 10,9 Gramm je 100 Gramm. Und Frühstücksprodukte mit Kinderoptik hatten im Schnitt 3,3 Gramm mehr Zucker pro 100 Gramm Packungsinhalt als die Gesamtgruppe.
. Nudelsoßen: Produkte mit Kinderoptik besaßen im Schnitt den höchsten Zuckergehalt.
. Panierte, vorgegarte Geflügelprodukte: Der Energie- und Fettgehalt lag bei Produkten mit Kinderoptik höher als bei den meisten vergleichbaren Produkten ohne Kinderoptik.
. Salami: Bei Salami mit Kinderoptik zeigte sich im Schnitt ein höherer Fettgehalt als bei anderen Salamis (außer Snack-Salami).
. Erfrischungsgetränke: Bei regulären Erfrischungsgetränken mit Kinderoptik zeigte sich im Schnitt ein höherer Zuckergehalt verglichen mit entsprechenden Produkten ohne Kinderoptik, zum Beispiel aus den Produktuntergruppen Fruchtschorlen und Wasser plus Frucht-Getränke. Über die ganze Palette von Colas, Limos und Mischgetränken lag der Zuckergehalt jetzt im Schnitt bei 6,0 Gramm pro 100 Milliliter – nach 6,3 Gramm bei der Basiserhebung 2018. Das seien „keine signifikante Veränderungen“, erläuterte Institutspräsident Pablo Steinberg. Bei Light-Limonaden habe es sogar ein Zuckerplus von 1,9 Gramm auf 2,8 Gramm gegeben. Bei gesüßten Getränken für Kinder sank der Zuckerschnitt von 7,2 Gramm 2018 zwar zunächst auf 5,4 Gramm 2019. Nun stieg er aber wieder auf 6,3 Gramm. Özdemir zeigte das mit Zuckerstückchen in einem Glas: „Da können Sie gleich den Zahnarzt mitbestellen, wenn Sie das regelmäßig trinken.“
„Leider ist es auch so, dass die Produkte, die besonders viel Zucker, Fette und Salz enthalten, uns oftmals besonders gut schmecken – und auch dazu verleiten, mehr davon zu essen, als es gut für uns ist“, erklärte Özdemir zu den Ergebnissen. Jedes Kind müsse aber unabhängig vom Einkommen der Eltern und von Bildung und Herkunft „die Chance haben, gesund aufzuwachsen“. Ex-Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte 2018 die Reduktionsstrategie für Fertiglebensmittel ins Leben gerufen. Sie setzt vor allem auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Lebensmittelwirtschaft. Die Organisation Foodwatch erklärte zu den Ergebnissen der Studie: „Das Prinzip Freiwilligkeit hat auf ganzer Linie versagt.“ Um Fehlernährung und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen, seien gesetzliche Maßnahmen nötig.
Saskia Hein, Ernährungswissenschaftlerin bei der Verbraucherzentrale NRW, rät Eltern gut hinzuschauen: „Zucker verbirgt sich hinter zahlreichen Namen und Zutaten: In der Zutatenliste finden sich Begriffe wie Saccharose, Dextrose, Glucose, Fructose, Lactose, Maltose oder Maltoseextrakt, Gerstenmalz oder Gerstenextrakt, Süßmolkenpulver, Karamellsirup oder auch andere Siruparten.“ Auch scheinbar gesunde Lebensmittel wie Müsliriegel, Smoothies und Fruchsäfte enthielten oft viel Zucker.
Wie viel davon im Produkt steckt, stehe in der Nährwerttabelle. Grundsätzlich gilt: „Je weniger Zucker wir essen, desto besser“, so die Ernährungswissenschaftlerin. Ein durchschnittlicher Erwachsener sollte nicht mehr als 50 Gramm am Tag essen. „Es wird empfohlen den Zuckerkonsum auf maximal zehn Prozent der täglich benötigten Energie zu begrenzen“, so Hein. Kinderärzte empfehlen maximal 25 Gramm am Tag.
Denn es gehe meist auch ohne: „Als Alternative zu Müsli-Mischungen und Cerealien kann ein Müsli ganz einfach selbst gemischt werden aus Getreideflocken in Kombination mit Nüssen, Saaten und frischen Früchten. Gepufftes Getreide oder Pseudogetreide wie beispielsweise Weizen, Dinkel, Amaranth, Buchweizen oder Quinoa kann für Abwechslung und ein spannendes Mundgefühl sorgen, ganz ohne Zucker oder Süßungsmittel.“