Auf den ersten Blick ist die Rechtslage bei Konflikten im Straßenverkehr nicht immer eindeutig. Am Ende urteilen die Gerichte.
Rumms gegen offene Autotür
Im Straßenverkehr ist es Alltag: Eine Autotür steht offen, weil jemand etwas auslädt. Kracht aber ein vorbeifahrendes Auto gegen die geöffnete Tür, ist oft unklar, wer Schuld hat. Das zeigt ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken (Az.: 3 U 9/23), auf das der ADAC hinweist.
Der Fall: Weil er Sachen von der Rücksitzbank seines Leasingautos holen wollte, hatte ein Mann die hintere Tür zur Straße hin geöffnet. Während der Mann im Auto am Kramen war, fuhr ein anderer Wagen gegen die geöffnete Tür. Um die Schuldfrage entbrannte danach ein Streit.
Die Argumente der einen Seite: Der Unfallfahrer habe nicht genug Seitenabstand gehalten. Die Tür sei schon länger einen Spalt breit offen und somit erkennbar gewesen. Die andere Seite entgegnete: Der Fahrer sei langsam und mit ausreichend Abstand vorbeigefahren. Doch die Tür hätte sich plötzlich weiter geöffnet – genau in dem Moment, als das Auto auf Türhöhe war. Nur deshalb habe es gekracht.
Das Gericht entschied: Beide haben einen Punkt, und beide haben Schuld. Eine Haftungsteilung sei angesichts der „beiderseitigen Sorgfaltsverstöße“ angemessen.
Konkret hieß es in Richtung des Türöffners: Wer ein- oder aussteigt, müsse sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen sei. Das diene vor allem dem Schutz des Fließverkehrs. Hier sei also ein „Höchstmaß an Sorgfalt“ gefordert – auch beim Ausladen.
In Richtung des Autofahrers, der mit seinem Wagen gegen die Tür gekracht war, hieß es: Er habe keinen ausreichenden Seitenabstand eingehalten. Und es lässt sich laut ADAC auch Folgendes ableiten: Wer wahrnimmt, dass eine Autotür geöffnet ist und sich eine Person in das Fahrzeug hineinbeugt, muss damit rechnen, dass die Tür in Bewegung geraten könnte. Also lieber in einem größeren Bogen ausweichen.
Kollision mit Baumstumpf
Das Auto ist mit dem Stoßfänger beim Einparken irgendwo hängen geblieben. In so einem Fall besteht grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz, denn die Verkehrssicherungspflicht verlangt von Kommunen, dass sie Parkplätze frei von solchen und ähnlichen Hindernissen halten. Darauf weist die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin und führt ein Urteil des Landgerichts Köln an (Az.: 5 O 94/22). In dem Fall hatte eine Autofahrerin allerdings ein Mitverschulden zu tragen.
Das war passiert: In der Dunkelheit hatte die Frau versucht, ihr Auto auf einer nicht gepflasterten Freifläche neben der Straße zu parken und fuhr dabei auf einen Baumstumpf auf. Sie verklagte die zuständige Kommune auf Schadenersatz.
Das Gericht gab ihr teilweise Recht. Die Autofahrerin habe die Fläche aufgrund der örtlichen Gegebenheiten – rechts und links davon standen auf asphaltierter Fläche Autos – für einen Parkplatz halten können. Deshalb habe die Kommune ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt, indem sie die Baumreste nicht entfernt habe.
Aber: Die Frau treffe ein „erhebliches Mitverschulden“. Sie hätte aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse auch selbst auf eventuelle Hindernisse achten müssen, so das Gericht. Darum sprach es ihr nur 50 Prozent des verlangten Schadensersatzes zu – in Zahlen: 1543,26 Euro.
Schlüssel im Fahrzeug
Bleibt der Schlüssel zum Wohnmobil aufgrund eines Missverständnisses im unabgeschlossenen Fahrzeug zurück, liegt keine grobe Fahrlässigkeit vor und die Kaskoversicherung muss den Schaden begleichen. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm (Az.: 6 U 107/21), auf das der ADAC hinweist.
In dem Fall war ein Ehepaar mit dem Wohnmobil unterwegs, als dieses entwendet wurde. Die Kaskoversicherung sollte den Schaden regulieren, verweigerte aber die Zahlung, da sich der Fahrzeugschlüssel unstrittig im offenen Wohnmobil befunden hatte. Das sei grob fahrlässig, fand der Versicherer.
Dagegen setzten sich die Geschädigten zur Wehr und zogen vor Gericht. Der Ehemann habe den Schlüssel in der Mittagspause absichtlich noch im Wohnmobil gelassen, da seine Ehefrau sich dort noch aufhielt. Er habe ihr zugerufen, den Schlüssel mitzubringen. Das habe diese aber missverstanden und den Schlüssel im Wohnmobil gelassen, als sie es verließ.
Das Oberlandesgericht entschied, dass in dem Fall keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt: Der Ehemann habe dafür Sorge tragen wollen, dass der Schlüssel nicht im Wohnmobil verbleibt. Lediglich ein Missverständnis habe dann zu dem Problem geführt. Darin sei keine „unentschuldbare Pflichtwidrigkeit“ im Sinne einer groben Fahrlässigkeit zu sehen.
Auch dass er seine Frau nicht ausdrücklich zum Absperren des Wohnmobils aufgefordert habe, sei nicht grob fahrlässig: Er durfte laut Gericht davon ausgehen, dass seine Frau auch absperrt, wenn sie den Schlüssel beim Verlassen des Wohnmobils mitbringt. Und so entschied das Gericht: Die Versicherung muss zahlen.
Kein Diagnosegerät auf der Fahrt
Wer beim Fahren ein mobiles Diagnosegerät in die Hand nimmt, riskiert ein Bußgeld – ähnlich wie bei der Nutzung eines Handys am Steuer. Dies zeigt ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, auf den der ADAC hinweist (Az.: II Orbs 15/23).
Im konkreten Fall war ein Kfz-Mechaniker mit einem Kundenauto unterwegs. Um einem Fehler im Fahrzeug auf die Spur zu kommen, hatte er ein Diagnosegerät angeschlossen, das via Funk mit einem mobilen Auslesegerät verbunden war. Das laut dem Gericht „einem Smartphone ähnelnde“ Gerät habe der Mann beim Fahren in der Hand gehalten.
Er sollte deshalb 100 Euro Bußgeld zahlen – „wegen vorsätzlicher Nutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient“. Fast wortgleich ist in Paragraf 23 der Straßenverkehrsordnung (StVO) das sogenannte „Handyverbot“ formuliert.
Dagegen legte der Mann Einspruch ein. Vor Gericht wurde seine Beschwerde aber verworfen. Im Kern begründete das Gericht die Entscheidung so: Wie beim Handy lenkt auch der Blick aufs mobile Auslesegerät während der Fahrt vom Verkehrsgeschehen ab. Um die Information abzulesen und zu erfassen, sei mehr als nur ein kurzer Blick erforderlich und so die Gefährdung der Verkehrssicherheit gegeben. Das Gericht wies darauf hin, dass man alternativ zu zweit fahren könne, während der Beifahrer das Gerät ausliest. dpa