Zinsen und China rücken in den Fokus

von Redaktion

VON CARSTEN MUMM

Sowohl das Kieler Institut für Weltwirtschaft als auch das Ifo-Institut haben zuletzt die Wachstumserwartungen für die deutsche Volkswirtschaft im laufenden Jahr auf -0,5 bzw. -0,4 Prozent nach unten revidiert. Innerhalb der Eurozone, deren Wachstum im zweiten Quartal mit nur 0,1 Prozent enttäuschte, dürften in diesem Jahr nur Irland und Estland eine noch schwächere Dynamik aufweisen.

Passend dazu wurden vom Statistischen Bundesamt ernüchternde Juli-Daten veröffentlicht: Deutschlands Exporte fielen um 0,9 Prozent, während die Industrieproduktion um 1,8 Prozent sank. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe wurden 10,5 Prozent schwächer als im Vorjahr vermeldet. Neben zyklischen Hintergründen – weltweit herrscht derzeit eine Nachfrageschwäche, vor allem in der Industrie – wird auch der strukturelle Wandel deutlich. So sank die energieintensive Produktion im Vergleich zum Juli 2022 um 11,4 Prozent.

Immerhin hat die Bundesregierung erkannt, dass es Zeit zum Handeln ist. Die von ihr kürzlich veröffentlichten „Zehn Punkte für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ wurden im Laufe der Woche von Bundeskanzler Scholz um den Vorschlag eines „Deutschland-Paktes“ ergänzt. Zusammen mit den Ländern sollen Verwaltung verschlankt, Genehmigungen beschleunigt und Bürokratie abgebaut werden. Zudem Investitions- und Innovationsanreize gesetzt, die Digitalisierung gefördert und der Zuzug ausländischer Fachkräfte erleichtert werden. Insgesamt ist diese Initiative zu begrüßen. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit und wie schnell sie tatsächlich umgesetzt wird.

An den Kapitalmärkten wirken derlei strukturelle Transformationsprozesse nur langfristig. Mit Blick auf die kommende Woche ist von besonderer Bedeutung, ob die Europäische Zentralbank (EZB) erneut ihre Leitzinsen anheben wird. Einerseits spricht die konjunkturelle Schwächephase für weiter nachlassenden Inflationsdruck. So fielen die Erzeugerpreise in der Eurozone im Vergleich zum Vorjahr um 7,6 Prozent. Andererseits steigen die Löhne weiter kräftig und zuletzt legten auch die Rohölpreise wieder deutlich zu. Es ist daher davon auszugehen, dass es eine tiefgehende Diskussion innerhalb des EZB-Rats über den weiteren geldpolitischen Kurs geben wird. Wir gehen von einer Leitzinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte aus, denn die EZB dürfte zur Eindämmung der hartnäckiger als zunächst erwarteten Inflation eher die Gefahr einer zu restriktiven Gangart eingehen. Zudem ist damit zu rechnen, dass der Abbau der aufgeblähten Bilanz der Notenbank beschleunigt wird. Damit sind positive Impulse vonseiten der Geldpolitik für die Kapitalmärkte kaum zu erwarten.

Eher könnten diese aus positiven Überraschungen bei den zur Veröffentlichung anstehenden August-Daten zu Anlageinvestitionen, Einzelhandelsumsätzen und der Industrieproduktion in China resultieren.

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