Teure Kredite, Zinsen aufs Ersparte

von Redaktion

VON SEBASTIAN HÖLZLE

Der kräftige Zinsanstieg geht in die nächste Runde: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern zum zehnten Mal in Folge die Leitzinsen erhöht. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschloss eine Anhebung des Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte, wie die Notenbank gestern in Frankfurt mitteilte. Damit liegt der Leitzins in der Eurozone bei 4,5 Prozent. Für Verbraucher hat das höhere Zinsniveau Folgen.

Aktien

„Oft wird behauptet, Zinserhöhungen seien Gift für die Aktienmärkte“, heißt es bei den Verbraucherzentralen. „Die Aussage ist aber in dieser Absolutheit nicht richtig.“ Es gebe keinen festen immer gültigen Zusammenhang zwischen Zinsentwicklung und Aktienkursen. In der Vergangenheit seien die Märkte auch schon auf breiter Front gestiegen, trotz steigender Zinsen. Anleger sollten sich vom kurzfristigen Auf und Ab an der Börse nicht irritieren lassen. „Denn für Aktien und Aktienfonds sollte man sowieso einen langfristigen Anlagehorizont haben.“ Viel wichtiger sei die richtige Aktienstrategie.

Bauzinsen

Anders sieht es bei Krediten aus: „Die Höhe der monatlichen Rate bei Immobilienfinanzierungen hängt ganz erheblich vom Zinsniveau ab“, erläutern die Verbraucherschützer. Seit Januar 2022 hätten sich die Bauzinsen von knapp einem Prozent auf etwa vier Prozent erhöht. Betroffen von der Zinssteigerung seien nicht nur Menschen, die sich ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollten. „Auch Kunden, die bereits aufgenommene Darlehen umschulden müssen oder bei denen nach dem Ende der Zinsbindung eine Anschlussfinanzierung ansteht, merken die Auswirkungen auf die monatliche Rate der Immobilienfinanzierung.“

Vergangene Woche teilte er Baufinanzierer Interhyp mit, dass sich die Zinsen für Immobiliendarlehen in Deutschland in einem Korridor zwischen 3,75 und 4 Prozent eingependelt hätten mit vereinzelten Ausschlägen über die Marke von 4 Prozent. Es lohne sich aber, Zinsangebote zu vergleichen, wie Interhyp vorrechnet: Bereits eine Differenz von 0,3 Prozentpunkten bedeuteten bei einem 300 000-Euro-Darlehen 9000 Euro Ersparnis.

Das Portal biallo.de empfiehlt aktuell Baufinanzierungen bei der Sparda-Bank West (3,62 Prozent effektiver Jahreszins), der PSD Bank RheinNeckarSaar (3,63 Prozent) und der Sparda-Bank Hessen (3,65 Prozent). Unterstellt wird ein Kreditbedarf von 300 000 Euro, eine Laufzeit von zehn Jahren, eine Anfangstilgung von 3,5 Prozent sowie eine Beleihung von 60 Prozent.

Sparguthaben

Während es für Kreditnehmer teurer geworden ist, profitieren Sparer von der Zinswende. „Bei steigenden Zinsen werden neu angelegte Zinsanlagen wie Tagesgeld, Festgeld oder Sparbriefe tendenziell rentabler“, erklären die Verbraucherschützer. Vor der Zinswende vor über einem Jahr hätten die Zinsen noch bei null Prozent oder minimal darüber gelegen.

Problem: Die höheren Zinsen kommen bei Sparern oft nur mit Verzögerung an. „Kreditinstitute geben Zinserhöhungen im Kreditgeschäft umgehend weiter, während sie die Einlagenzinsen nicht oder nur ganz langsam erhöhen“, kritisieren die Verbraucherschützer. Ihr Ratschlag: „Sie können natürlich die Bank wechseln, aber ebenso ist es Ihr gutes Recht, sich Ihrem Unmut über eine solche Geschäftspolitik Luft zu verschaffen.“ Beschweren könnten sich Betroffene etwa bei der Geschäftsführung der betroffenen Bank oder Sparkasse sowie ihren Kontroll-Organen. Die Verwaltungsräte der Sparkassen seien im jeweiligen Jahresbericht des Instituts zu finden. Argumentieren könnten Sparer mit dem Dreimonatszins Euribor. Laut Bundesbank lag dieser am Montag bei über 3,8 Prozent.

Wie sehr Banken und Sparkassen knausern, zeigt eine gestern veröffentlichte Auswertung des Vergleichsportals Verivox: Demnach zahlt ein Drittel aller Institute noch immer entweder gar keine oder allenfalls Niedrigzinsen in Höhe von maximal einem Viertelprozent aufs Tagesgeld. Und gleichzeitig gebe es Banken, die über vier Prozent Zinsen bezahlten.

„Bei einem beträchtlichen Teil der Geldhäuser vollzieht sich die Zinswende in Trippelschritten“, kritisierte Oliver Maier, Geschäftsführer von Verivox Finanzvergleich. Vor allem bei den regionalen Kreditinstituten müssten sich Kunden noch immer „häufig in Verzicht üben“: 33 Prozent der insgesamt 309 Sparkassen in der Auswertung zahlen laut Verivox nicht mehr als 0,25 Prozent Zinsen aufs Tagesgeld. Noch etwas größer sei der Anteil der Institute mit Null- oder Niedrigzinsen unter den 345 regionalen Genossenschaftsbanken – also Volks- und Raiffeisenbanken sowie die PSD- und Sparda-Banken.

Bei Tagesgeld-Angeboten von über vier Prozent ist aber ein Blick ins Kleingedruckte ratsam. Oft gelten diese Konditionen nur für wenige Monate. Das Portal biallo.de sieht Top-Konditionen aktuell bei der Bank of Scotland, der IKB und der Renault Bank Direkt. Alle bieten demnach 4,0 Prozent aufs Tagesgeld – zumindest für einige wenige Monate. Nach Ablauf der Frist zahlt die Bank of Scotland 2,5 Prozent, die IKB 2,0 Prozent und die Renault Bank Direkt 2,7 Prozent.

Wer sich sicher ist, dass die Ersparnisse für mehrere Monate definitiv nicht benötigt werden, kann Festgeld-Angebote vergleichen. Hier wird mit der Bank eine feste Laufzeit vereinbart, zum Beispiel ein Jahr oder zwei Jahre. Während dieser Zeitspanne haben Kunden keinen Zugriff auf das Geld. „Banken mit deutschem Einlagenschutz zahlen in der Spitze aktuell 4,15 Prozent Zinsen für Festgelder mit zwei Jahren Laufzeit“, hat Verivox ermittelt. Auffallend ist, dass es wieder die Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind, die zögern: Wer sein Geld für zwei Jahre fest anlegt, erhält bei den Genossenschaftsbanken laut Verivox im Schnitt 2,42 Prozent und bei den Sparkassen 2,3 Prozent Zinsen. „Im Schnitt fast ein Prozent mehr bekommen Sparer bei bundesweit aktiven Banken.“

Preise

Aber selbst wenn es Sparern gelingt, ihr Geld wieder zu vier Prozent Zinsen anzulegen: Die Preise sind zuletzt schneller gestiegen. Im August lag die Inflation laut Statischem Bundesamt in Deutschland bei 6,1 Prozent. Immerhin: Erklärtes Ziel von EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist es, mithilfe der höheren Zinsen die Teuerung zu bekämpfen. Gestern bekräftigte sie: „Wir müssen die Inflation senken.“ In einer Stellungnahme des EZB-Rates hieß es allerdings, dass die Inflation noch „zu lange zu hoch“ bleiben werde.

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