Die Inflationssorgen sind noch lange nicht weg

von Redaktion

Nachdem die EZB in ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause letzte Woche eher überraschend die Zinsen nochmals angehoben hat, trafen sich diese Woche viele andere Zentralbanken. Hinsichtlich der Zinsentscheidung gab es dabei nur eine richtige Überraschung: die Bank of England. Entgegen der Markterwartung hat die Old Lady im Lichte eines deutlicheren Rückgangs der Inflation im Vereinigten Königreich die Zinsen unverändert belassen. Andernorts lief dagegen alles wie erwartet: Insgesamt hat sich der globale Zinserhöhungstrend im September fortgesetzt, aber das Tempo wurde deutlich gedrosselt.

Dies hätte eigentlich zu einer Entspannung am langen Ende der Zinskurve führen und sich positiv auf die Aktienkurse auswirken sollen. Doch das Gegenteil war der Fall. Sowohl in den USA als auch in Europa sind im Wochenvergleich die Renditen angestiegen und Aktienmärkte haben die Talfahrt fortgesetzt. Ein Grund dafür: der starke Anstieg des Ölpreises. Dabei wird befürchtet, dass der in erster Linie durch die Produktionskürzungen in Saudi-Arabien und Russland hervorgerufene Ölpreisschub zu einer Verfestigung der hohen Inflationsraten und damit zu einer anhaltend restriktiven Geldpolitik führt.

Solche Bedenken hat auch Jerome Powell von der US-Notenbank Fed geäußert, die eine Zinspause eingelegt hat. Insgesamt gab sich die Fed optimistisch für die Konjunktur und erwartet nur eine leichte Eintrübung am Arbeitsmarkt. Dementsprechend geht weiterhin eine knappe Mehrheit der Fed-Vertreter von einer zusätzlichen Zinserhöhung bis Jahresende aus. Zudem werden im Mittel jetzt nur noch zwei Zinssenkungen bis Ende des nächsten Jahres erwartet.

Damit wurden die Hoffnungen auf zügige Zinssenkungen enttäuscht und es kam zu einem spürbaren Anstieg der Renditen für US-Staatsanleihen. Aus unserer Sicht unterschätzt die Fed die zahlreichen kurzfristigen Belastungsfaktoren für die Konjunktur. Während die Transmission der Geldpolitik im Immobiliensektor nur langsam verläuft, werden die rekordhohen Kreditkartenschulden den Konsum insbesondere dämpfen. Die verschärften Finanzierungskonditionen spielen zudem bei den Rückzahlungen der Studienkredite eine Rolle.

Sollten die Fronten im Kongress verhärtet bleiben, droht zudem im Oktober ein „Government-Shutdown“, von dem ein signifikanter Wachstumsdämpfer ausginge. Am Arbeitsmarkt hat sich das Jobwachstum in den letzten Monaten bereits stark verlangsamt und die Arbeitslosenquote ist leicht angestiegen; auch das Lohnwachstum kühlte leicht ab. Wir gehen daher mit Blick auf den kommenden Jahreswechsel von einer Konjunkturdelle in den USA aus und rechnen nicht mit weiteren Zinsanhebungen. Erste Lockerungen dürften jedoch frühestens zur Jahresmitte 2024 erfolgen.

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