Hans W.: „Wir sind ein Ehepaar mit zwei Kindern. Eines hat 2022 eine Eigentumswohnung von uns geschenkt bekommen, in der es zuvor schon zehn Jahre selbst zur Miete gewohnt hat. Es musste 50 Prozent des von einem offiziellen Sachverständigen festgestellten Wertes gegenüber dem anderen Kind als Geschwistergleichstellungsgeld als Ausgleich bezahlen. Nun soll die Wohnung, in der es nach wie vor wohnt, wieder verkauft werden. Aufgrund des Einbruchs der Immobilienpreise muss die Wohnung etwa zehn Prozent unter dem damals festgelegten Wert verkauft werden. Frage: Muss nun steuerrechtlich mit Forderungen gerechnet werden (zum Beispiel Spekulationssteuer), wenn die Wohnung vor Ablauf von drei Jahren verkauft wird?“
Ich habe die Antwort auf Ihre Frage in zwei Teile geteilt:
Erstens die Schenkung der Eigentumswohnung im Jahr 2022: Die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages an andere Angehörige im Zuge einer Schenkung stellt ein Anschaffungsgeschäft dar. Es handelt sich hier um eine teilentgeltliche Übertragung, wodurch der Vorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen ist. Das beschenkte Kind hat also einen Teil der Wohnung geschenkt bekommen und den anderen Teil selbst angeschafft. Hinsichtlich des entgeltlich erworbenen Anteils ist es bei Ihnen als Veräußerer zu keinem steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäft gekommen, wenn seit der Anschaffung der Immobilie Ihrerseits und dem Veräußerungsvorgang an Ihr Kind mehr als zehn Jahre vergangen sind. Die 50 Prozent der Immobilie, welche nicht von dem Gleichstellungsgeld erfasst sind, stellen eine Schenkung an das Kind dar und sind nicht als Veräußerungsgeschäft einzuordnen.
Zweitens die Veräußerung der Eigentumswohnung durch das Kind: Mit dem Übergang des entgeltlich erworbenen Anteils der Eigentumswohnung an das Kind im Jahr 2022 beginnt die im Rahmen einer Veräußerung zu berücksichtigende Zehnjahresfrist neu zu laufen. Allerdings ist zu beachten, dass das Kind zwischen dem Zeitpunkt der Anschaffung im Jahr 2022 und dem anstehenden Verkauf in der Wohnung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken gewohnt hat. Hier lässt das Gesetz eine Ausnahme zu und gibt vor, dass in diesen Fällen kein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt. Daher muss mit Forderungen und insbesondere mit einer Spekulationssteuer nicht gerechnet werden.
Hinsichtlich des geschenkten Anteils der Wohnung tritt das Kind bezüglich der Zehnjahresfrist in Ihre Fußstapfen. Ihre Behaltensfrist wird dem Kind angerechnet und läuft dort weiter. Somit führt auch die Veräußerung des geschenkten Anteils zu keinem privaten Veräußerungsgeschäft. Für die genaue Fristberechnung und Ermittlung des entgeltlichen und unentgeltlichen Teils der Immobilie sollte ein Steuerberater hinzugezogen werden.