Zur Jahrestagung von IWF und Weltbank kamen letzte Woche Vertreter von Regierungen, Zentralbanken und der internationalen Finanzwirtschaft zusammen. Ein wichtiges Thema: die Geopolitik. In vielen Diskussionen wurde darauf hingewiesen, dass eine zunehmende Abschottung zwischen den USA und China für die Menschen in sehr vielen Ländern negative Auswirkungen hätte.
Großes Entsetzen und Betroffenheit herrschte bei der Tagung in Marrakesch auch über den Anschlag der Hamas auf Israel am Wochenende zuvor. Angesichts der sich überschlagenden Entwicklungen im Kriegsgebiet war es für die Ökonomen und Finanzexperten jedoch zu früh, Schlüsse aus dem Krieg in Israel zu ziehen. Der Elefant im Raum wurde nicht weiter adressiert.
Seit dem Anschlag der Hamas ist der Krieg in Israel jedoch ein bestimmendes Thema an den Finanzmärkten und daran wird sich auch zunächst wenig ändern. Die Kursausschläge dürften dabei aber weniger auf das menschliche Leid reagieren, sondern vielmehr von der möglichen Ausweitung des Kriegs auf andere Länder beeinflusst werden.
Der Fokus ist hierbei auf die ölreichen Länder Iran und Saudi-Arabien gerichtet. Zudem werden die Marktteilnehmer die Wege der Tanker auf der Straße von Hormus genauestens beobachten. Grund dafür ist, dass die Bedeutung des Nahen Ostens für die globale Konjunktur in erster Linie auf dessen Rolle als Öl-Lieferant basiert.
Die Kursschwankungen an den Renten- und Aktienmärkten seit dem Angriff der Hamas sind daher eng mit der Ölpreisentwicklung korreliert. Da der Krieg bisher auf Israel und den Gazastreifen sowie die Hisbollah im Südlibanon begrenzt war, fiel die Reaktion beim Ölpreis deutlich geringer aus als die Preissprünge, die es etwa bei der Besetzung Kuwaits durch den Irak im Jahr 1990 gab.
Auch wenn die Gefahr einer Ausweitung des Kriegs substanziell ist, gehen wir in unserem Basisszenario davon aus, dass der Ölpreis zwar sehr volatil bleibt, sich aber nicht viel weiter nach oben bewegen wird. Der Druck auf die Verbraucherpreise und auch die Konjunktur dürfte daher begrenzt bleiben.
Sollte es jedoch zu einer Ausweitung des Kriegs kommen, dürfte der Ölpreis in die Höhe schnellen, und zumindest kurzfristig wären dann Kurse von 150 Dollar pro Barrel möglich.
Die Auswirkung dieses Schocks auf die Konjunktur hängt aus unserer Sicht deutlich von der Reaktion der Zentralbanken ab. Während im Euro-Raum neben dem Preisschock auch eine Verknappung des Ölangebots die Konjunktur belasten dürfte, was die EZB wohl zu Zurückhaltung veranlassen dürfte, kommt beim Netto-Ölexpor-teur USA nur der Preiseffekt zum Tragen.
Im weiter angespannten Inflationsumfeld dürfte die Fed darauf mit zusätzlichen Zinserhöhungen reagieren, die den Kursrückgang an den globalen Renten- und Aktienmärkten beschleunigen würden.