Sie ärgern sich über die schlechte Entwicklung des Dax? Was sollen da die Norweger sagen? „Norwegischer Staatsfonds versenkt Milliarden“ – solche Überschriften findet man aktuell in der Wirtschaftspresse und tatsächlich musste der Fonds 31,6 Milliarden Euro Verlust in einem Quartal hinnehmen.
Und dennoch bleiben die Norweger gelassen: Sie haben schon 1996 begonnen, mit ihren Öl- und Gaseinnahmen einen Pensionsfonds aufzubauen, der mit etwa 70 Prozent in den weltweiten Aktienmarkt und 30 Prozent in Anleihen und Immobilien anlegt. Im Aktienmarkt investiert der Pensionsfonds breit gestreut und ist an mehr als 9300 börsennotierten Unternehmen beteiligt. Dank seiner Größe von inzwischen 1100 Milliarden Euro ist der Fonds Eigentümer von ca. 1,5 Prozent des Aktienkapitals dieser „Welt AG“. Die norwegische Bevölkerung als Nutznießer des Pensionsfonds ist damit nicht nur reich, sondern auch mächtig – Aktienkapital zu halten bedeutet als Eigentümer auch Stimmrechte zu besitzen. Es ist nicht verwunderlich, dass in Norwegen ein schlechtes Quartal mit Milliardenverlust selbst bei den Linken nur ein müdes Lächeln produziert. Auch als Kapitalismuskritiker tut man sich eben leichter, wenn man selbst über ein dickes Kapitalpolster verfügt.
Hier in Deutschland leben wir in einer anderen Welt, obwohl die geburtenstarken Jahrgänge noch nicht in Rente gegangen sind, muss unser Rentensystem 2023 mit über 110 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt bezuschusst werden. Bis heute hat es die Politik nicht geschafft, Aktienkapital zur Absicherung der Rente aufzubauen. Die FDP will dies unter dem Namen „Deutschlandrente“ einführen, die Mehrheit der Grünen und Teile der SPD sind dagegen. „Zockerei“ lautet der Vorwurf.
Konkret bezeichnet die Deutschlandrente den Plan, einen Staatsfonds einzurichten, den der Bund über 15 Jahre jährlich mit zehn Milliarden Euro auffüllt, sodass ein Kapitalstock in Aktien aufgebaut werden kann, dessen Erträge ab 2037 das Rentensystem stützen sollen. Ein Tropfen auf den heißen Stein am Vorabend des Renteneintritts der Baby-Boomer, aber immerhin.
Wer hier skeptisch ist, sollte bedenken, dass die Urquelle von Renditen immer die Privatwirtschaft ist. Alle leben von diesen Renditen – Gehälter, Mieten und Steuern werden von Gewinnen bezahlt, die zuallererst irgendjemand erwirtschaften muss. Investiert man weltweit gestreut in den Aktienmarkt, so partizipiert man direkt als Miteigentümer der Unternehmen von deren Gewinnen. Das hat nichts mit Zocken zu tun. Würde die Privatwirtschaft keine Gewinne mehr erwirtschaften, so würde auch das Steuersystem und damit die Finanzplanung unseres grünen Wirtschaftsministers zusammenbrechen. Der wesentliche Unterschied zwischen der Finanzplanung unserer Regierung und der Anlagestrategie des norwegischen Staatsfonds besteht darin, dass die Finanzplanung unserer Regierung nur funktioniert, wenn die deutschen Unternehmen profitabel bleiben, sich also im internationalen Wettbewerb auch weiter behaupten.
Für den norwegischen Staatsfonds reicht es hingegen aus, wenn die Weltwirtschaft insgesamt profitabel bleibt. Ersteres könnte man bei unserer Wirtschaftspolitik tatsächlich als Zocken bezeichnen, letzteres ist zwangsläufig gegeben. Die Welt AG kann im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss verlieren, die Welt AG ist der internationale Wettbewerb.