In den vergangenen Wochen war die Stimmung an den Börsen verlässlich – nämlich verlässlich schlecht. Die hohen Zinsen, der Nahostkonflikt, der Krieg in der Ukraine und auch die schwächelnde Konjunktur drückten auf die Stimmung. Am Donnerstag ging es dagegen kräftig aufwärts: Der deutsche Leitindex Dax gewann rund 1,5 Prozent, der MDAX der mittelgroßen Werte war sogar fast drei Prozent im Plus und auch der US-Technologieindex Nasdaq hatte am Vortag schon kräftig zugelegt. Doch woher kommt der Stimmungsumschwung an den Börsen? Und geht es so weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Weshalb hat der Dax am Donnerstag so zugelegt?
Dass es an den Börsen ausgerechnet am Donnerstag so stark aufwärtsging, ist kein Zufall: Am Mittwoch hatte die US-Notenbank Fed die Zinsen zum zweiten Mal in Folge nicht angehoben. „Anleger sehen mal wieder Licht am Ende des Tunnels und spekulieren auf einen erreichten Höhepunkt bei den Anleiherenditen“, erklärte Jochen Stanzl, Marktanalyst beim Broker CMC Markets. „An den Märkten rechnet man nun damit, dass die US-Zinsen beim jetzigen Stand bleiben“, sagte auch Roland Metzenmacher von der BayernLB. Das habe die Aktienkurse angeschoben.
Wieso ist es gut, wenn die Zinsen nicht mehr steigen?
„Bleiben die Zinsen auf dem aktuellen Niveau, verschlechtern sich die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen nicht weiter“, sagt Roland Metzenmacher von der BayernLB. Auch Verbraucherkredite für Immobilien oder Autos verteuern sich nicht mehr. Das stützt den Konsum. Gleichzeitig steigen die Renditen für Anleihen nicht weiter, was Aktien wieder attraktiver wirken lässt. Denn selbst mit relativ risikoarmen zehnjährigen US-Staatsanleihen konnten Investoren mit zuletzt bis zu fünf Prozent Rendite pro Jahr rechnen.
Ist der Zinsgipfel nun wirklich schon erreicht?
Darauf setzen tatsächlich viele Anleger. Garantiert ist das aber nicht. Die Fed müsse eine Gratwanderung leisten, sagt Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. Dabei bestehe einerseits das Risiko, mit weiteren Zinserhöhungen die Wirtschaft zu stark auszubremsen. Sei die Geldpolitik andererseits zu lasch, könne die Inflation wieder steigen und die Fed später noch härter eingreifen müssen, was der Wirtschaft noch mehr schaden könnte. Fed-Chef Jerome Powell deutete deshalb zwar an, dass das Ende des Zinserhöhungszyklus erreicht sein könnte, ließ sich aber weiter alle Hintertüren offen. Mit 3,7 Prozent hat sich die Inflation in den USA spürbar abgekühlt, ist aber immer noch hoch. Ähnlich ist es in Europa, wo die Teuerung zuletzt bei 2,9 Prozent lag und die Europäische Zentralbank ebenfalls eine Zinspause eingelegt hat. Erste Zinssenkungen werden frühestens Mitte 2024 erwartet, die Analysten von Axa Investment Manager rechnen zum Beispiel mit Juli 2024.
Ist das der Beginn einer Jahresendrally?
Das ist möglich, immerhin steigen die Aktienkurse gegen Ende des Jahres häufig nochmals an. Statistisch gesehen gehören die Monate November und Dezember nämlich zu den besten Börsenmonaten. Auch die mögliche Entspannung bei den Zinsen spricht dafür, denn steigende Zinsen sind Gift für Aktien. Hinzu kommt: In den letzten Wochen sind die Notierungen an den Aktienmärkten gefallen, sodass die Kurse im Vergleich zum Hoch im Sommer halbwegs erschwinglich wirken (siehe Grafiken). Zudem läuft es vor allem für die US-Unternehmen momentan gar nicht so schlecht: In der laufenden Berichtsaison für das dritte Quartal haben zwei Drittel der US-Firmen die Gewinnerwartungen der Analysten übertroffen.
Und welche Risiken gibt es für die Börsen?
Viele! So geht man etwa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock davon aus, dass sich die US-Wirtschaft merklich abkühlt und die Zinsen doch noch einmal steigen werden. Hinzu kämen die „an mehreren Ecken grell blinkenden Warnlampen der Geopolitik“, besonders in der Ukraine und in Israel. Das alles schüre die Nervosität an den Märkten und habe bereits zu erheblicher Flucht in sogenannte sichere Häfen wie Gold, Staatsanleihen oder den Schweizer Franken geführt. Auch bei der BayernLB in München tritt man auf die Euphoriebremse. „Wir rechnen eher mit einer volatilen Seitwärtsbewegung, also einem ständigen Auf und Ab ohne größere Kursgewinne“, sagt Roland Metzenmacher. Den Dax sieht die BayernLB bis Jahresende bei 15 600 Punkten, aktuell steht er bei rund 15 150. Auch beim amerikanischen S&P 500 rechnet sie nur mit einem minimalen Zuwachs auf 4460 Punkte.