Junge Menschen sollten unbedingt für ihre Zukunft vorsorgen. Aber wie? Katharina Henrich und Simeon Gentscheff von der „Finanztest“ haben schon hunderte Finanzprodukte auf Herz und Nieren geprüft. Sie erklären, wie man mit Minimalaufwand ein Vermögen aufbaut, dabei nicht über den Tisch gezogen wird und worauf besonders Frauen achten müssen.
Wer sollte Geld anlegen?
Henrich: Jeder, der nicht durch eine üppige Erbschaft abgesichert ist.
Auf Tages- und Festgeld gibt es wieder Zinsen. Reicht das nicht?
Henrich: Fest- und Tagesgeld sind sichere Möglichkeiten sein Geld anzulegen. Aktuell gibt es auch wieder zwischen drei und vier Prozent Zinsen. Das kann sich aber auch wieder ändern, bis vor Kurzem haben Sparer fast nichts bekommen. Langfristig ist es deshalb besser, auf zwei Wegen vorzusorgen – mit einem Sicherheits- und einem Renditebaustein wie Aktienfonds.
Private Renten- und Lebensversicherungen werben mit sicheren Garantiezahlungen. Lohnt sich das?
Henrich: Private Rentenversicherungen sind oft teuer und geben sich viel Mühe, ihre Kostenstruktur zu verschleiern. Das gleiche gilt für kapitalbildende Lebensversicherungen, die die Produkte Geldanlage und Risikolebensversicherung verknüpfen. Sie müssen bedenken: Die Versicherung will Ihnen nichts schenken, sondern an Ihnen verdienen. Deshalb rate ich eher davon ab. Eine Ausnahme sind geförderte Modelle, etwa Betriebsrenten, wenn der Arbeitgeber sich über den verpflichtend festgelegten Zuschuss von 15 Prozent hinaus am Beitrag beteiligt. Für Menschen mit geringen Einkommen kann auch die viel gescholtene Riester-Rente interessant sein, wenn die staatliche Förderung den Großteil der Beiträge ausmacht.
Aktien gelten als rentabler aber riskanter. Taugen Sie als Altersvorsorge?
Henrich: Aktien bieten großes Potenzial für den Vermögensaufbau. Man muss es aber richtig machen. Gerade Einzelaktien können kurzfristig sehr stark schwanken. Über einen passiven Index-Fonds, einen ETF, können Sparer aber Anteile an einer ganzen Gruppe von Unternehmen kaufen. Am besten geeignet für Sparer ist ein globaler Index wie der MSCI World, der mehr als 1500 Unternehmen aus 23 Ländern abbildet. Die Risikostreuung ist dabei so groß, dass ein Totalverlust äußerst unwahrscheinlich ist. Auch Bankenpleiten sind kein Problem: Ein ETF ist als Sondervermögen selbst bei Insolvenz der Fondsgesellschaft oder Depotbank geschützt. In der Vergangenheit brachte der MSCI World im Durchschnitt rund acht Prozent im Jahr – inklusive aller Krisen. Wegen der möglichen Schwankungen sollte der Anlagehorizont aber mindestens zehn Jahre betragen.
In sozialen Medien ist oft von Kryptowährungen und NFTs die Rede. Was taugen die?
Henrich: Als Altersvorsorge gar nichts. Digitale Werte haben riesige Kursschwankungen, das ist ein reines Zockerinstrument.
Wann sollte man mit dem Sparen beginnen?
Henrich: Wichtig ist, zuerst mögliche Schulden zu tilgen. Außerdem sind zwei Nettogehälter auf der hohen Kante wichtig, um in der Lage zu sein, ein kaputtes Handy oder eine Autoreparatur zu bezahlen. Danach dann gleich mit dem Sparen anfangen, weil Zeit ein entscheidender Faktor ist. Egal ob durch Zinsen, Dividenden oder Kurswachstum: Jedes Jahr gibt es einen Gewinn, den man wieder anlegen kann. Der sogenannte Zinseszins kann über die Jahre zehntausende Euro Ertrag ausmachen (siehe Tabelle).
Wo kann man ETFs und Aktienfonds kaufen?
Gentscheff: Dafür muss man ein Depot eröffnen. Das bieten heute Filialbanken, Direkt-Banken aber auch Neobroker wie Trade Republic und Scalable Capital an.
Was darf die Geldanlage kosten?
Gentscheff: Der Fondsanbieter verlangt pro Jahr einen gewissen Prozentsatz des Fondsvermögens als Gebühr. ETFs sind dabei meist kostengünstig, weil sie einfach passiv einen Index nachbilden. Hier gibt es für den MSCI World gute Angebote mit 0,2 oder 0,3 Prozent Gebühren. Bei aktiv gemanagten Fonds sorgt ein Manager auf Basis von verschiedenen Kriterien wie etwa Nachhaltigkeit für die Zusammensetzung. Das kostet aber schnell 1,3 bis zwei Prozent im Jahr. Außerdem kommt bei vielen aktiven Fonds beim Kauf ein Ausgabeaufschlag von vier bis fünf Prozent oben drauf. In Summe kann das für den Kunden teuer werden, deshalb vermitteln Berater solche Produkte gern. Wer sparen will, sollte auf Beratung verzichten und sich selbst informieren.
Und was ist mit dem Depot-Dienstleister?
Gentscheff: Sparer sollten auf jeden Fall ein kostenloses Depot wählen, das gibt es bei vielen Direktbanken, Onlinebrokern und Neobrokern. Direktbanken verlangen für Einzelkäufe häufig einen Prozentsatz von 0,25 Prozent und einen Mindestbetrag von zehn Euro. Günstiger sind pauschale Preise, die unabhängig vom Ordervolumen sind. Eigentlich jeder Onlinenabieter bietet auch ETF-Sparpläne an, wo man monatlich eine feste Summe anlegt. Die Kosten fallen sehr unterschiedlich aus: von kostenlos bis 2,5 Prozent des Sparvolumens. Kostenlose Sparpläne und insgesamt sehr günstige Konditionen bieten Neobroker. Das Angebot ist allerdings nicht ganz so umfassend wie bei vielen Direktbanken und Onlinebrokern. Der große Vorteil von ETF-Sparplänen ist die Flexibilität. Anleger können die Sparraten beliebig verändern oder aussetzen, da gibt es keine Verpflichtungen.
Neobroker werben mit niedrigen Kosten. Wie seriös sind solche Anbieter – und kann man das überprüfen?
Gentscheff: Es gibt einige seriöse Angebote im Markt, allerdings auch Anbieter, bei denen Anleger eher vorsichtig sein sollten. Bei Neobrokern achtet „Finanztest“ unter anderem darauf, dass das Verrechnungskonto der gesetzlichen Einlagensicherung unterliegt. Anbieter wie Scalable Capital oder Finanzen.net Zero arbeiten beispielsweise mit der Baader Bank zusammen.
Und die Direktbanken?
Bei Tages- und Festgeld gibt es mittlerweile wieder sehr gute Angebote. Verbraucher sollten darauf achten, dass das angelegte Geld gut geschützt ist. Auf www.edb-banken.de kann man nachschauen, welche Banken der deutschen Einlagensicherung unterliegen.
Gibt es eine Faustformel, wie man möglichst einfach fürs Alter vorsorgt?
Henrich: Das einfachste Prinzip ist eine 50/50 Strategie. Man legt seine monatliche Sparrate zur Hälfte in einen ETF an, zur anderen Hälfte auf einem Tagesgeldkonto. Damit erzielt man anständige Renditen und hat trotzdem einen großen Sicherheitsbaustein, wo das Geld immer verfügbar ist.
Viele träumen vom Eigenheim. Passt die Strategie zu diesem Ziel?
Henrich: Wenn ich genau weiß, dass ich in fünf Jahren ein Haus kaufen will, sind Aktienfonds keine gute Wahl, da sollte man sich eher Zinsen sichern. Aber wenn man Anfang 20 ist und eventuell sehr viel später, mit 40 oder 50 Wohneigentum kaufen möchte, kommt die 50/50 Strategie infrage. Man kann das angesparte und gewachsene Vermögen dann als Eigenkapital nutzen.
Frauen haben im Alter oft deutlich weniger Geld als Männer. Was hilft dagegen?
Henrich: Altersvorsorge findet vor allem im Job statt. Sie müssen sich klar machen, dass bereits bei Arbeitnehmerinnen mit Durchschnittsverdienst jeden Monat rund 670 Euro an die Rentenkasse fließen. Ein monatlicher Sparplan von 50 oder 100 Euro ist deshalb immer nur ein Top-Up bei der Altersversorgung. Wichtig sind deshalb: möglichst kurze Auszeiten vom Job und möglichst wenig Teilzeit. Auch wenn das nicht immer einfach ist, weil Frauen bisher ja doch noch den Löwenanteil an der unentgeltlichen Sorgearbeit übernehmen. Ein weiteres Risiko für die Altersversorgung sind Scheidungen. Hier könnten sich Frauen, die wegen der Familie weniger arbeiten, im Vorfeld absichern, etwa indem sie mit ihrem Partner Ausgleichszahlungen in einem Ehevertrag vereinbaren.
Aber im Scheidungsfall gibt es doch einen Versorgungsausgleich.
Henrich: Der gilt nur für die Zeit der Ehe. Frauen, die wegen der Familie im Job kürzergetreten sind und sich mit Mitte 40 oder 50 scheiden lassen, haben es oft schwer, beruflich noch mal richtig durchzustarten. Das hat große Auswirkungen auf die eigene Absicherung im Alter.
Wie berechnet man, ob es eine Lücke bei der Altersvorsorge gibt?
Henrich: Am besten man lässt sich bei der Deutschen Rentenversicherung dazu kostenlos beraten.
Interview: Matthias Schneider