Diese Woche hat in beeindruckender Weise gezeigt, wie wenig es bedarf, um die Stimmung an den Finanzmärkten, zumindest kurzfristig, zu drehen. Nachdem am Montag noch alle mit der Interpretation einer eigentlich unspektakulären Rede von US-Notenbank Chef Powell beschäftigt waren und die Erwartungen auf recht zügige Zinssenkungen in den USA zurückgenommen wurden, hat sich die Gemütslage der Marktteilnehmer am Dienstag schlagartig verbessert: Wieder fallende Zinserwartungen für die Fed haben zu einem Rückgang der Renditen für lang laufende US-Staatsanleihen gesorgt und die US-Aktienkurse nach oben katapultiert. Dies hat auch die Aktienmärkte rund um den Globus beflügelt und zu einer Aufwertung des Euro und anderen Währungen gegenüber dem US-Dollar beigetragen.
Auslöser für diese Rally an den Märkten war eine Datenveröffentlichung in den USA, nämlich der Kern-Inflationsrate, die Veränderung des Verbraucherpreisindex ohne Energie- und Nahrungspreise, für den Monat Oktober. Dieser Index ist im Vergleich zu den Markterwartungen von 0,3 im Vergleich zum Vormonat nur um 0,2 Prozent angestiegen. Dies hat dazu beigetragen, dass die Jahresveränderungsrate von 4,1 im September auf 4,0 Prozent im Oktober fiel. In der Tat sind dies erfreuliche Zahlen, die belegen, dass die Zinserhöhungen in den USA Wirkung zeigen und der Inflationsdruck auf breiter Basis abnimmt. Von daher erscheint auch die positive Reaktion der Märkte berechtigt, aber dennoch aus meiner Sicht übertrieben. Auch wenn wir der These zustimmen, dass der Inflationsdruck weiter abnimmt, was den Weg für Fed-Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte 2024 ebnet, werden die Daten in den kommenden Monaten volatil bleiben und das jetzt rosige Bild wieder in Frage stellen.
Die Fed dürfte daher so schnell keine Indikation für Zinssenkungen geben, was die Märkte enttäuschen dürfte. Auch die zweite gute Nachricht aus den USA dürfte nicht lange vorhalten. Mit der Zustimmung im US-Repräsentantenhaus für einen Übergangshaushalt bis Februar wurde der wichtigste Schritt zur Vermeidung eines „Government-Shutdown“ vorerst verhindert. Doch das Problem der stark angespannten US-Fiskalsituation, die zunehmend in den Fokus von Rating-Agenturen und Marktteilnehmern rückt, ist damit nicht dauerhaft gelöst. Im Umfeld drastisch steigender Zinszahlungen des US-Staates wird das Thema im Laufe des Wahljahrs noch an Brisanz gewinnen. Dies bedeutet, dass die Möglichkeiten der Regierung, die Konjunktur anzukurbeln, schwinden. Nach all den negativen Schlagzeilen der letzten Wochen scheinen die Marktteilnehmer auf gute Nachrichten gewartet zu haben. Dabei scheinen sie aber die weiter bestehenden Probleme, sowohl auf der Inflations- als auch auf der Konjunkturseite, zu leicht zu nehmen.