Wie schlechte Nachrichten positiv wirken können

von Redaktion

VON CARSTEN MUMM

Die konjunkturellen Perspektiven für Deutschland und die Eurozone konnten sich zuletzt stabilisieren, allerdings auf sehr schwachen Niveaus. Während die Industrie und die Bauwirtschaft weiter unter zu geringer Nachfrage leiden, trüben sich die Aussichten für Dienstleister und den Handel angesichts einer sinkenden Konsumbereitschaft zunehmend ein. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr enttäuschen könnte, denn die allgegenwärtigen erheblich gestiegenen Preise veranlassen viele Konsumenten zum Sparen. Verstärkt werden dürfte diese Tendenz durch eine sich abzeichnende schwächere Entwicklung am Arbeitsmarkt. So hat die Zahl der Arbeitslosen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im November saisonbereinigt um 22  000 zugenommen. Die Arbeitslosenquote in Höhe von derzeit 5,6 Prozent liegt damit um 0,3 Prozentpunkte höher als vor einem Jahr.

An den Aktienbörsen haben diese Aussichten jedoch nicht dafür gesorgt, dass die bereits Ende Oktober gestartete Aufwärtsbewegung endete. Im Gegenteil: Der Leitindex DAX konnte sich erstmals seit August wieder oberhalb der Marke von 16 000 Punkten etablieren. Der Hintergrund ist, dass es – wie meistens an den Börsen –auch eine andere Seite der Medaille gibt.

In diesem Fall sorgt die globale gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwäche für einen nachlassenden Teuerungsdruck. Die November-Inflation in Deutschland wurde vom Statistischen Bundesamt auf Basis einer vorläufigen Berechnung mit 3,2 Prozent vermeldet. Im Vergleich zum Vormonat ist die Preissteigerungsrate um 0,4 Prozentpunkte gefallen.

Nutzt man die auf europäischer Ebene harmonisierte Berechnungsmethode für die Inflation, nähert sich der aktuelle Wert mit 2,3 Prozent sogar der Zielmarke der EZB von zwei Prozent an. Auch wenn die Inflationsraten rund um den Jahreswechsel wieder etwas höher ausfallen dürften, ist für das erste Halbjahr 2024 von einem anhaltenden Senkungstrend auszugehen. Die stärker als erwartet gefallene Inflation ließ die Zinsen bei längeren Laufzeiten weiter absacken. Die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe ist seit dem Höchststand bei knapp drei Prozent p.a. Ende September unter die Marke von 2,50 Prozent p.a. gerutscht. Da sich parallel auch die Kreditkonditionen abwärts bewegen, hat sich einer der wichtigsten Belastungsfaktoren für viele Unternehmen, die im Vergleich zu den Vorjahren stark gestiegenen Fremdkapitalkosten, mittlerweile deutlich relativiert. Durch die Zinsbewegung unterstützt konnten nicht nur Aktienkurse, sondern auch der Goldpreis weiter zulegen.

In der kommenden Woche dürften Börsianer vor allem den am Freitag zur Veröffentlichung anstehenden aktuellen Arbeitsmarktbericht aus den USA im Fokus haben. Sollte sich auch hier erneut eine schwächere Tendenz abzeichnen, dürften Spekulationen über früher als bisher erwartete Leitzinssenkungen der US-Notenbank den Aktienkursen weiteren Auftrieb verleihen.

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