Der Dax macht sich daran, ein hervorragendes Börsenjahr abzuschließen: Satte 20 Prozent hat der deutsche Leitindex seit Januar zugelegt, beim amerikanischen S&P 500 waren es sogar noch zwei Prozentpunkte mehr. Am Donnerstag knackte der Dax dann sogar erstmals die Marke von 17 000 Punkten, auch die US-Indizes feierten Rekorde. Doch weshalb gehen die Aktienkurse so durch die Decke, während die Konjunktur schwächelt und Kriege und Krisen schwelen? Und geht das so weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Weshalb haben die Kurse einen Rekord erreicht?
Dass am Mittwoch und Donnerstag an den Börsen die Rekorde purzelten, liegt an den Zinsentscheiden der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed. Am Mittwoch Abend hatte Fed-Chef Jerome Powell den Leitzins bei 5,5 Prozent belassen. Er bestätigte erstmals, dass über mögliche Zinssenkungen im Jahr 2024 gesprochen wurde. Das feierten die Anlegern, die seit November auf eine Zinswende nach unten spekulieren. Die Perspektive auf Zinssenkungen sei „das beste Weihnachtsgeschenk“, zitiert der US-Sender CNBC einen Analysten. Auch die EZB ließ den Leitzins am Donnerstag bei 4,5 Prozent.
Wieso sind die Zinsen für die Börsen so wichtig?
Um die Inflation zu bekämpfen, hatte die Notenbanken die Zinsen zuvor in Rekordtempo auf langjährige Hochs angehoben. Für Sparer war der Zinsanstieg erfreulich. Kredite haben sich dagegen verteuert, was die Wirtschaft bremst. Hinzu kommt: Bei hohen Zinsen sinkt für Großinvestoren der Druck, in Aktien zu investieren, was deren Kurse zusätzlich belastet.
Werden die Zinsen nun wirklich schnell fallen?
An den Finanzmärkten rechnet man damit, dass die weltweit ausschlaggebenden US-Zinsen ab März fallen und 2024 bis zu sechsmal auf vier Prozent gesenkt werden. Die Fed-Mitglieder selbst können sich aktuell jedoch nur drei Zinssenkungen vorstellen. Weil die Teuerung zurückgeht, könnte auch die EZB die Zügel bei der Inflationsbekämpfung lockerer lassen. Sie steht unter besonderem Druck, weil hoch verschuldete Staaten wie Italien unter den hohen Zinsen ächzen. „Deshalb wird die Europäische Zentralbank die erste der Notenbanken sein, die einknicken wird“, zitiert das ZDF einen Anleihehändler. Ob die Zinsen wirklich so sinken wie an den Börsen erhofft, steht auf einem anderen Blatt. Die EZB machte am Donnerstag klar, dass sie aktuell keine Zinssenkungen diskutiere.
Geht es nun an den Börsen weiter so aufwärts?
Die Fallhöhe steigt jedenfalls. Zudem warnt der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock, die Zinsspekulationen seien völlkig überzogen. Typischerweise laufen die letzten Börsenwochen im Jahr allerdings gut. „Die Investoren dürften auch wenig Lust haben, so kurz vor den Weihnachtsferien noch ihre Strategie umzuwerfen“, sagt Kapitalmarktstratege Hans-Jörg Naumer von der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors, die rund 500 Milliarden Euro an Kapital verwaltet. „Im neuen Jahr werden die Karten aber neu gemischt.“ Dann könnten Sorgen um die schwächelnde Wirtschaft sowie einer Eskalation der weltweiten Konflikte wieder in den Vordergrund treten. „Momentan blenden die Anleger viele Risiken einfach aus und setzen alle Hoffnung auf Zinssenkungen“. glaubt Naumer.
Welche Aktien sind besonders gut gelaufen?
In den USA haben besonders die Technologieriesen Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla von den Zinsspekulationen profitiert, nachdem sie zuvor am meisten unter dem Zinsanstieg gelitten hatten. Extrem stark liefen die Facebook-Mutter Meta sowie Nvidia, die in einem Jahr in Euro gerechnet je rund 170 Prozent zulegten. „Diese sieben Aktien haben den ganzen Markt nach oben gezogen“, erklärt Kapitalmarktstratege Hans-Jörg Naumer Allianz Global Investors. Fehlende Marktbreite nennen Börsenexperten das – und sehen es eher als schlechtes Zeichen. Bei deutschen Aktien liefen seit Jahresbeginn der Rüstungskonzern Rheinmetall, der Sportartikelhersteller Adidas und der IT-Konzern SAP mit je über 50 Prozent Gewinn gut. „Im Windschatten der US-Börsen ist auch der Dax gestiegen, der etwas Nachholpotenzial hatte“, so Naumer.
Betrifft die Zinswende alle Verbraucher?
Laut dem Vergleichsportal Verivox fangen die Banken bereits an, die Zinsen der Sparer auf Festgeldkonten zu senken. Wie die Verivox-Auswertung unter 800 Banken und Sparkassen zeigt, fielen die Zinsen für Festgelder mit zwei Jahren Laufzeit bundesweit seit Oktober im Schnitt von 3,39 auf 3,35 Prozent. Das ist minimal, aber vielleicht für Sparer nach einem kurzem Zinshoch der ärgerliche Beginn einer Trendwende hin zu wieder weniger Erträgen auf ihren Konten. Gleichzeitig meldete das Portal Check24, dass die besten Zinsen für zehnjährige Baufinanzierungen aktuell bei 3,12 Prozent pro Jahr liegen. Das seien etwa 0,73 Prozentpunkte weniger als im Oktober. Kreditnehmer und Aktionäre können sich also freuen, Sparer weniger.