Wenn man Bürgergeld-Empfängern, die sich durch Arbeit etwas dazuverdienen, die Sozialleistungen weniger als bisher kürzen würde, dann würde sich die Zahl der Beschäftigten erhöhen. Und nicht nur das: Durch die Reform würde der Staat sogar Geld einsparen. Das geht aus einen Gutachten hervor, das das Ifo-Institut in München und das Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jetzt erstellten. Bislang werden Sozialleistungen wie das Wohngeld bei Einkommen von mehr als 520 Euro monatlich bis 1000 Euro um 80 bis 100 Prozent gekürzt. Damit sich Mehrarbeit lohnt, weil vom Zuverdienst netto mehr übrig bleibt, sieht die Reform nun vor, die Sozialleistungen in Zukunft bis zu einer Verdienstgrenze von 2000 Euro nur zu 70 Prozent zu kürzen.
136 000 Erwerbstätige
Die Reform innerhalb des Systems würde wegen höherer Arbeitsanreize die Erwerbstätigkeit im besten Fall um 136 000 Personen erhöhen. „Damit könnte sie sich selbst finanzieren. Denn die öffentlichen Haushalte hätten am Ende rund 1,1 Milliarden Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben“, sagte Holger Stichnoth vom ZEW. Der Vorschlag ziele auf Alleinerziehende und Alleinstehende ohne Kinder sowie Paare mit drei und mehr Kindern, weil man hier Beschäftigungseffekte erwarte.
Geht es nach dem Expertenteam, dann sollten bei einem Hinzuverdienst von über 2000 Euro monatlich statt bisher 100 Prozent der Sozialleistungen nur noch 65 Prozent gekürzt werden – denn damit wäre der gewünschte Anreiz noch größer, so Maximilian Blömer vom Münchner Ifo-Institut gegenüber unserer Zeitung. Die feste Einkommensgrenze, ab der Sozialleistungen auf einen Schlag um 100 Prozent gekürzt werden, solle komplett abgeschafft werden.
Fehler im System
Dass die Betroffenen bessergestellt würden als bisher und der Stadt damit auch noch viel Geld einspare, liege daran, dass „es im bestehenden System einen Designfehler gibt“, so Blömer. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass es im Transfersystem selbstfinanzierende Reformmöglichkeiten gibt, die das Arbeitsangebot steigern und dabei niemanden schlechterstellen.“
Mehrheit will Reform
Deutlich profitieren würde zum Beispiel ein Single (siehe auch Tabelle). Nach der Reform blieben ihm bei einem Hinzuverdienst von 1000 Euro brutto zwar weiterhin 1340 Euro netto übrig, stockt er aber seinen Hinzuverdienst auf 1500 Euro auf, blieben ihm 1490 Euro statt wie bisher 1410 Euro übrig.
Laut der Forscher zeigt eine Umfrage in der Bevölkerung, dass die Reform auf eine breite Akzeptanz stoßen würde. „Insofern dürften die Hürden bei der Umsetzung verhältnismäßig einfach zu überwinden sein“, so Blömer.
Bürokratie abbauen
Die Studienautoren schlagen außerdem vor, dass die derzeitige Zweiteilung aus Bürgergeld und Wohngeld in eine einheitliche Grundsicherung überführt wird. Das würde zu einer Vereinfachung und damit Entlastung der Verwaltung führen und hätte zudem noch größere Beschäftigungseffekte.
VdK-Chefin mahnt
Währenddessen geht die Diskussion um die Erhöhung des Bürgergeldes weiter. VdK-Chefin Verena Bentele sagte im ARD-Morgenmagazin zum Thema Lohnabstand: „Arbeit lohnt sich immer.“ Das Bürgergeld sei dazu da, um die Existenz zu sichern. Sie wundere sich, dass mehr über Sanktionen gegen Bürgergeld als über Steuerhinterziehung gesprochen werde. Dadurch gingen dem Staat jedes Jahr 150 Milliarden Euro Einnahmen verloren. Da stelle sich die Frage: „Haben wir wirklich den richtigen Fokus? Ich würde sagen nein.“ Die Bundesregierung hatte das Bürgergeld zum Jahresbeginn um zwölf Prozent erhöht. wdp