Manche Verfahren ziehen sich hin. Wie lange Verkehrssünder auf ihre Strafe warten müssen, darum geht es im ersten Fall.
Verjährung
Wer sehr lange nach einer Verkehrsordnungswidrigkeit verurteilt wird, könnte mit Erfolg dagegen vorgehen. Denn innerhalb von zwei Jahren muss eine entsprechende Entscheidung gefallen sein, ansonsten verjähren Verkehrsordnungswidrigkeiten. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz (Az.: 4 ORbs 31 SsBs 1/23), über das der Deutsche Anwaltverein (DAV) berichtet.
Der Fall: Ein Mann fuhr am 10. November 2020 zu schnell. Als Konsequenz folgten ein Bußgeldbescheid und ein Fahrverbot, erlassen am 22. Januar 2021. Dagegen legte der Autofahrer Einspruch ein. Aber erst am 10. November 2022 betätigte das Amtsgericht eine etwas reduzierte Geldbuße sowie das Fahrverbot. Auch dagegen ging der Betroffene juristisch vor. Sein Argument: Die Entscheidung wäre zu spät gefallen.
Das Urteil: Das Vorgehen hatte Erfolg, denn das OLG Koblenz bestätigte diese Ansicht in seiner Entscheidung. Grund: Die absolute Verjährungsfrist von zwei Jahren habe mit der Ordnungswidrigkeit – dem zu schnellen Fahren – am 10. November 2020 begonnen und war mit Ablauf des 9. November 2022 geendet. Das erst tags darauf gefällte Urteil war damit hinfällig, und das Verfahren wurde wegen Verjährung eingestellt.
Rettungsgasse
Auf autobahnähnlich ausgebauten Innerortsstraßen besteht keine Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse. Das wird durch eine Entscheidung (Az.: 201 ObOWi 971/23) des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) verdeutlicht, auf die der ADAC hinweist.
Der Fall: In dem Fall fuhr ein Mann mit seinem Lkw auf einer Bundesstraße innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Diese war autobahnähnlich ausgebaut und wies baulich getrennte zweistreifige Richtungsfahrbahnen auf. Durch einen Unfall weiter vorn verlangsamte sich der Verkehr. Es wurde keine Rettungsgasse gebildet, weswegen ein von hinten kommendes Polizeiauto seine Fahrt eine Zeit lang nicht fortsetzen konnte.
Der Fahrer wurde im Nachgang vom Amtsgericht Augsburg zu einem Bußgeld in Höhe von 240 Euro verurteilt. Dazu kamen ein Fahrverbot und ein Punkt in Flensburg. Das Amtsgericht urteilte entsprechend, da es den Tatbestand des Nichtbildens einer Rettungsgasse im autobahnähnlichen Ausbau der Straße begründet sah. Dagegen ging der Betroffene vor. Er war der Ansicht, dass dieser Tatbestand innerorts nicht erfüllt sein konnte. In dem Punkt gab ihm das BayObLG recht.
Das Urteil: Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gilt nicht für den innerstädtischen Verkehr auf einer Bundesstraße. So argumentierte das BayObLG mit Verweis auf die Straßenverkehrsordnung (StVO, Paragraf 11 Abs. 2). Daran ändert der autobahnähnliche Ausbau der Bundesstraße nichts. Der Bußgeldbescheid war demnach rechtswidrig. Eine Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse nennt die StVO in dem entsprechenden Paragrafen nur für Autobahnen und „Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung“. Innerorts und auf einspurigen Straßen werde für Rettungsfahrzeuge in der Regel Platz geschaffen, indem die Fahrzeuge an den rechten Rand fahren, so das BayObLG in seiner Entscheidung.
Kamerabeweis
Nach einem komplexen Crash können im Einzelfall Mitschnitte einer Kamera Dritter zur Klärung des Unfallhergangs herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn sich eine der beteiligten Parteien vor Gericht dagegen ausspricht. Das zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Az.: 4 U 111/21), auf die der Deutschen Anwaltverein hinweist.
Der Fall: In dem Fall stießen ein Cabrio und ein Kleinwagen in einem sehr engen Kreisverkehr zusammen. Es hatte sich nicht klären lassen, wann genau die Fahrzeuge dort jeweils eingefahren waren. So blieb die Frage der Haftungsverteilung zunächst offen. Direkt am Kreisverkehr war aber eine Firma ansässig, die eine Überwachungskamera installiert hatte. Diese Kamera hatte den Unfall aufgezeichnet. Nun wollte eine Unfallpartei die Aufnahme im Verfahren als Videobeweis zur Klärung des Unfallhergangs zulassen, die andere Partei sprach sich mit Verweis auf Datenschutz dagegen aus.
Das Urteil: Das Gericht ließ die Aufzeichnung der Firmenkamera als Beweismittel zu – mit folgender Begründung: Das Video greife zwar in die Privatsphäre der am Unfall Beteiligten ein. Aber: Die Bedeutung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und die Beweisnot seien in diesem speziellen Fall höher zu bewerten. Am Ende heißt es zwei Drittel und ein Drittel
Wer am Straßenverkehr teilnimmt, müsse darüber hinaus damit rechnen, dass Dritte ihr Verhalten wahrnehmen, so das Gericht weiter. Am Ende musste der Fahrer des Cabrios zwei Drittel des Schadens übernehmen: Er hatte mit höherem Tempo die Mittelinsel geschnitten, um an dem Kleinwagen vorbeizufahren. Dabei war es zu dem Unfall gekommen.
Rauschfahrt
Einsicht schützt nicht automatisch vor Strafe. Das gilt auch, wenn man während einer Trunkenheitsfahrt die eigene Fahruntauglichkeit einsieht und das Auto wieder abstellt. So sieht es jedenfalls das Bayerische Oberste Landesgericht in einer Entscheidung (Az.: 202 ObOWi 780/23), auf die der ADAC hinweist.
Der Fall: Im verhandelten Fall hatte ein Mann auf einem Junggesellenabschied gefeiert – inklusive Alkoholgenuss. Im Laufe des Abends gab es dann einen Streit zwischen dem Mann und seiner Freundin, die sich ad hoc von ihm trennte. Unter diesem Eindruck fuhr der Mann mit dem Auto los. Allerdings wurde ihm seine nicht mehr vorhandene Fahrtauglichkeit schnell klar. Er wendete und fuhr zum Parkplatz der Feier zurück – die zurückgelegte Fahrstrecke betrug rund 200 Meter. Einige Gäste hatten sich aber Sorgen gemacht und bereits die Polizei alarmiert, die kurz darauf eintraf. Die Alkoholkontrolle ergab einen Wert von 0,47 mg/l Atemalkohol. Das zog 500 Euro Bußgeld und einen Monat Fahrverbot nach sich. Bezogen auf das Fahrverbot, legte der Betroffene aber Einspruch ein.
Das hatte vor dem Amtsgericht Erfolg. Denn es ging in Anbetracht der kurzen Strecke und der sofortigen Umkehr von einer Einsichtsfähigkeit aus, die ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertige. Die Staatsanwaltschaft sah das ganz anders und legte Beschwerde ein. Mit Erfolg.
Das Urteil: Das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass bei dieser Art Ordnungswidrigkeit in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen ist, stellte das Oberste Landesgericht fest. Um von so einem Verbot absehen zu können, seien hohe Anforderungen zu stellen, die in diesem Fall nicht vorlägen. Eine Entlastung des Mannes durch die Kürze der Strecke kam für das Oberste Landesgericht nicht in Frage: Zum einen, da der Fahrer nachweislich unter psychischem Druck stand, zum anderen, weil die Alkoholisierung nur wenig von der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit entfernt war. Auch das im Nachgang gezeigte Verhalten des Mannes, geprägt von Schuldeinsicht und Reue, reichte den Richtern nicht aus, um in Abwägung zur potenziellen Gefahr der Alkoholfahrt im emotionalen Ausnahmezustand vom Regelfahrverbot abzusehen.
Motorradlärm
Wer mit seinem Motorrad unnötigen Lärm verursacht, muss mit einer Geldbuße rechnen. Das zeigt eine Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt (AZ: 971 OWi 241 Js 26773/22).
Der Fall: Ein Motorradfahrer war mit lauten Auspuffgeräuschen innerorts unterwegs. Den Krach hatte er durch die manuelle Steuerung der Auspuffanlage ausgelöst, und zwar ohne technische Notwenigkeit. Denn sein Motorrad war mit einer zugelassenen und eingetragenen Auspuffanlage ausgestattet. Der Fall landete vor Gericht.
Das Urteil: Das Amtsgericht verwies auf die Straßenverkehrsordnung (StVO). Diese verbietet unnötigen Lärm. Dabei sei eine exakte Geräuschmessung nicht notwendig – die Feststellung könne auch auf Grund einer Zeugenaussage erfolgen. So musste der Motorradfahrer 100 Euro Geldbuße bezahlen.