Beim Sparen fängt fast jeder klein an. Auch der Chef der größten deutschen Sparkasse. Wie er zu seinem ersten Geld kam, wie er heute dazu steht und welche Tipps er für Kleinanleger hat, darüber sprachen wir mit Ralf Fleischer, Chef der Stadtsparkasse München, bei der fast jeder zweite Münchner sein Konto hat.
Erinnern Sie sich noch, wann Sie ihr eigenes Geld verdient haben?
Natürlich. Mein erstes Geld habe ich für gute Noten bekommen. Wenn ich mich recht erinnere, gab es für eine 2 in der Klassenarbeit zwei Mark von meinen Eltern, für eine 1 gab es fünf Mark. Fürs Zeugnis gab’s noch einmal mehr.
Das heißt, Sie waren ein guter Schüler?
Zumindest ein ordentlicher.
Und das Geld haben Sie noch am selben Tag für Süßigkeiten ausgegeben oder landete das brav im Sparschwein?
Das Geld kam überwiegend tatsächlich in die Sparbüchse und wanderte am Weltspartag aufs Sparbuch.
Und wann haben Sie ihr erstes richtiges Geld verdient?
Das muss mit 16 oder 17 Jahren gewesen sein. Ich habe Nachhilfe in Latein gegeben. Das war mein erster bezahlter Job. Aber ich muss zugeben, dass ich in meiner Jugendzeit… Verrät man das? … in den Ferien lieber beim Fußball spielen war oder Freunde getroffen habe. Heute würde man es chillen nennen.
Wie äußerte sich das?
Meine Geschwister hatten im Alter von 16 oder 17 Jahren in den Ferien gearbeitet. Das habe ich nie gemacht. Ich ahnte, was mich im Berufsleben erwartet und diese freie Zeit vorbei sein wird. Deshalb bin ich die ganze Sache etwas ruhiger angegangen.
Haben Sie als Jugendlicher für größere Anschaffungen gespart?
Das musste ich nicht. Ich habe nie auf ein Mofa oder ähnliches gespart. Wenn ich mir etwas kaufen wollte, konnte ich das Geld vom Sparkonto nehmen.
Das heißt, Sie haben auch keine Kredite benötigt?
Nein. Ich hatte das große Glück, dass ich mir mit 18 kein eigenes Auto kaufen musste. Mein Bruder, der deutlich älter ist , hatte sich ein neues gekauft. Seinen alten Käfer, ein 1302, bekam dann ich. Leider hat es nicht lange gedauert, bis ich meinen ersten Unfall hatte und das Auto anschließend ein Totalschaden war. Aber auch hier konnte ich auf mein Erspartes zurückgreifen und mir ein neues Auto kaufen. Den ersten Kredit habe ich erst aufgenommen, als ich mit meiner Frau Ende 20 eine Immobilie gekauft habe.
Hat Ihr Elternhaus Sie geprägt, sorgfältig mit Geld umzugehen?
Ja. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, bin dort geboren und aufgewachsen. Mein Vater war Berufsschullehrer, meine Mutter Hausfrau, ich habe zwei ältere Geschwister und war der Nachzügler. Meine Eltern haben immer Wert darauf gelegt, nicht mehr Geld auszugeben als man hat. Das mache ich bis heute so.
Heute verdienen Sie als Chef der Stadtsparkasse München deutlich mehr. Ändert sich das Verhältnis zum Geld, wenn man sich über finanzielle Dinge keine Gedanken mehr machen muss?
Keine Frage, natürlich könnte ich mir das ein oder andere leisten, was nicht unbedingt jedem möglich ist. Aber ich gehöre nach wie vor zur Gruppe der Sparer und nicht zu denen, die ihr ganzes Geld ausgeben. Im Grunde lebe ich bis heute so, wie ich damals gelebt habe und gehe sorgfältig mit meinem Geld um.
Was beobachten Sie in der Gesellschaft? Wie hat sich das Verhältnis zum Geld geändert?
Heute haben Statussymbole eine größere Bedeutung als in meiner Kindheit und Jugend. Es gab zwar damals auch Wrangler-Jeans, die man gerne haben wollte, aber so eine Marken-Verrücktheit wie heute habe ich in meiner Jugend nicht wahrgenommen.
Sehen Sie diese Entwicklung kritisch?
Ja. Oft ist der soziale Druck so hoch, dass man gemessen am Einkommen zu teure Kleidung oder sonstiges kauft. Das Geld könnte man besser beiseitelegen, etwa für die Altersvorsorge.
Beobachten Sie auch eine Änderung des Sparverhaltens?
Ich bin in den 70er- und 80er-Jahren groß geworden. Meine Eltern waren Jahrgang 1930 und 1931 und durch den Krieg geprägt. Sie wussten, wie es ist, wenn nichts mehr im Kühlschrank zu essen ist. Dementsprechend glaube ich, dass meine Generation so geprägt worden ist und weiß, wie wichtig es ist, mit Geld vernünftig zu haushalten. Die heutige Jugend ist anders geprägt. Finanziell geht es den meisten ordentlich oder sogar gut. Diese Not, die meine Eltern erlebt haben, die gibt es nicht mehr, stattdessen ist in vielen Haushalten Eigentum und Geldvermögen vorhanden.
Gleichzeitig gibt es auch heute einen wachsenden Anteil bei jungen Menschen, bei denen das warme Mittagessen in der Schule oder in der Kita die einzige warme Mahlzeit am Tag ist – ansonsten bliebe die Küche kalt. Laut Studien leben in Deutschland knapp drei Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Armut.
Das stimmt. Gerade in einer Stadt wie München sind die Preise in allen Lebensbereichen hoch. Das fängt bei den Mieten an, geht bei der Kleidung weiter, selbst Lebensmittel sind hier teurer als in anderen Regionen in Deutschland. In München ist beispielsweise die Kugel Eis 50 Cent teurer als in meiner Heimat im Ruhrgebiet. Das ist natürlich eine ungesunde Entwicklung.
Wird heute anders gespart als früher?
Bedingt durch die Niedrig- und Nullzinsphase der vergangenen Jahre spielt das klassische Sparbuch heute kaum noch eine Rolle – bei den Zinsen war es ja egal, ob ich das Geld auf dem Sparbuch oder dem Girokonto halte. Selbst die Festgeld-Zinsen waren minimal. Seit aber die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht hat, sieht das anders aus.
Wie äußert sich das?
Im vergangenen Jahr ist beispielsweise unser Absatz an Sparbriefen deutlich gestiegen. Es macht wieder Sinn, sein Geld nicht auf dem Konto liegen zu lassen. Und trotzdem machen das immer noch zu viele. Eigentlich müssten noch viel mehr Menschen ihr Geld festverzinslich anlegen Außerdem sollte jeder, der jünger als 40 Jahre ist, einen Aktiensparplan haben.
Warum?
Aus der Vergangenheit wissen wir, dass ab einer Laufzeit von 15 Jahren die Aktien immer alle anderen Anlageformen um Längen geschlagen haben – trotz der teils heftigen Schwankungen am Aktienmarkt. Daher ist ein Aktiensparplan für die Altersvorsorge so wichtig. Die gute Nachricht ist, dass bei der jungen Generation allmählich die Erkenntnis reift, dass das Thema Altersvorsorge doch nicht ganz so unwichtig ist – zumindest legen das Studien nahe.
Gibt es noch Kunden, die bei der Stadtsparkasse ein Sparbuch neu eröffnen?
Ja, die gibt es noch, aber die Zahl ist verschwindend gering.
Haben Sie immer noch ein Sparschwein?
Ja, das habe ich immer noch. Da kommen alle Münzen aus der Hosentasche rein, die vom Tag übriggeblieben sind. Und irgendwann, wenn es das Sparschwein voll ist, werde ich irgendetwas Schönes damit machen – mal sehen, was es wird.
Interview: Sebastian Hölzle