Haben Frauen ein anderes Verhältnis zu ihren Finanzen als Männer? Legen sie anders Geld an? Vorsichtiger vielleicht? Nein, sagt Sabine Schölzel, Vorstandsmitglied der Stadtsparkasse München. Es gibt nur Menschen, die sich mit Geldanlage beschäftigen, und solche, die es nicht tun. Und die Auseinandersetzung mit Finanzen und Altersvorsorge ist für Frauen besonders wichtig. Warum das so ist, erklärt Schölzel im Interview.
Viele Frauen sagen von sich, dass sie nicht viel von Finanzen verstehen und sich dafür auch nicht interessieren. Warum ist das heute immer noch so?
Das überrascht mich auch immer wieder. Ich vermute, die Zurückhaltung vieler Frauen bei Geldangelegenheiten hat auch kulturelle, historische und soziale Gründe. Frauen waren jahrhundertelang kaum in finanzielle Entscheidungsprozesse einbezogen, der Zugang war ihnen verschlossen. Bis 1958 durften Frauen ohne Zustimmung ihres Ehemannes zum Beispiel kein eigenes Konto eröffnen, also nicht frei über ihr eigenes Geld verfügen. Und noch kürzer ist es her, dass westdeutsche Frauen nur dann einer Erwerbstätigkeit nachgehen durften, wenn dadurch „ihre Pflichten in Ehe und Familie“ nicht in Mitleidenschaft gezogen werden“ – bis 1977 galt das. Ohne Zustimmung des Mannes konnten Frauen nicht arbeiten. Heute unvorstellbar, aber noch nicht so lange her.
Was kann man tun?
Man muss Frauen stärker ermutigen, sich mit ihren finanziellen Angelegenheiten auseinanderzusetzen. Das ist individuell wichtig, weil Frauen dann selbstbestimmter leben können. Es ist aber auch gesellschaftlich relevant, da Frauen sehr viel stärker von Altersarmut betroffen sind als Männer.
Da sind wir schon beim Thema Rente.
Genau. Finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht Frauen ein selbstbestimmtes Leben. So können sie jederzeit Entscheidungen treffen über den Beruf oder die Beziehung. Aber natürlich ist es so, dass Frauen immer noch den größten Teil der Kinderbetreuung übernehmen, deshalb aus dem Beruf aussteigen und später nur Teilzeit arbeiten. Das unterbricht die Erwerbsbiografie – und kostet wertvolle Rentenpunkte.
Wie kann man diese Ungerechtigkeit ausgleichen?
Paare müssen sich am Küchentisch zusammensetzen und besprechen, wie der Elternteil, der in der Familie die unbezahlte Care-Arbeit leistet, einen finanziellen Ausgleich in der Altersvorsorge bekommt.
Konkret, was könnte man sich da vorstellen?
Es gibt mehrere Möglichkeiten. Zum Beispiel eine private Rentenversicherung, die natürlich auf den Namen der Person läuft, die sich um die Kinder kümmert. Man kann aber auch mit Fonds sparen und so Vermögen aufbauen. Wichtig ist, dass Geld vom Haushaltseinkommen genommen wird und dann auch von der entsprechenden Person genutzt werden kann.
Warum ist das so wichtig?
Wenn man weiß, dass jede dritte Ehe geschieden wird, ist klar, dass ein Ehemann oder eine Ehefrau keine Altersversorgung sein kann.
Ein frisch verheiratetes Paar will vielleicht nicht über solche Dinge reden.
Mag sein, dass viele das unromantisch finden. Es hilft aber nichts, man muss darüber reden, verbindliche Vereinbarungen treffen und Verantwortung für sein Leben und seine Finanzen übernehmen.
Bei vielen hält sich auch die Vorstellung, im Fall einer Scheidung schon irgendwie versorgt zu sein. Stimmt aber nicht mehr, oder?
Nein, das ist nicht mehr so. Der Hauptverdiener ist nur gegenüber minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig und nur bei sehr kleinen Kindern gegenüber seiner ehemaligen Ehefrau. Das heißt, die Frau muss wieder arbeiten, auch wenn sie schon viele Jahre aus dem Job raus war. Was ja dann unter Umständen gar nicht so einfach ist.
Woher weiß ich denn, wie viel Geld mir mein Mann geben muss? Wer hilft einem bei solchen Fragen?
Sie können sich jederzeit an die Rentenversicherung wenden, die einem ausrechnet, wie groß die Lücke ist, die man füllen muss.
Gibt es Ihrer Erfahrung nach einen Unterschied von Männern und Frauen bei der Geldanlage? Sind Männer vielleicht mutiger, Frauen vorsichtiger?
Hm. Ich stelle das nicht fest. Eher zeigt sich ein Unterschied zwischen Menschen, die sich mit Finanzen beschäftigen, und solchen, die das nicht tun. Ob das dann Frauen oder Männer sind, spielt keine große Rolle. Es gibt auch keine Belege, wer am Ende erfolgreicher ist. Es gibt zwar Studien, dabei sind die Unterschiede zwischen Frauen und Männern aber sehr gering. Allenfalls stelle ich öfter fest, dass Frauen, wenn sie eine Investitionsentscheidung einmal getroffen haben, daran länger festhalten als Männer.
Was bei Aktien ja gut ist.
Ja. Gerade bei dieser Form der Geldanlage muss man Geduld und Zeit mitbringen. Es gibt im Übrigen ja auch Männer, die sich noch nie mit Finanzen beschäftigt haben und denen unsere Berater und Beraterinnen erst mal helfen, entsprechendes Wissen aufzubauen. Neben dem Wissen kommt es auch auf die Risikobereitschaft eines Kunden an und auf seine Wünsche und Ziele. Um die richtige Altersvorsorge zu finden, muss man jeden individuell da abholen, wo er steht.
Gibt es so eine Art Crash-Kurs für Finanzwissen?
Ich weiß nicht, ob es einen Crash-Kurs braucht. Ich denke, es macht Sinn, wenn Frauen mal mit ihrem Freundeskreis besprechen, was die anderen für ihre Altersversorgung tun. Es gibt natürlich auch jede Menge Literatur zum Thema. Vorsichtig wäre ich allerdings in Sozialen Medien, da tummeln sich teils selbst ernannte Experten, denen man besser nicht blind vertraut. Ich finde übrigens, man lernt mit der Zeit automatisch sehr viel dazu. Wenn man erst mal klein angefangen hat, zum Beispiel mit 25 Euro, die jeden Monat in einen Aktienfonds fließen.
Also einfach anfangen?
Ja, einfach anfangen. Das ist wie beim Sport, da fällt es anfangs auch oft nicht leicht, sich aufzuraffen. Und auf einmal merkt man: Das kann auch Spaß machen!
Interview: Corinna Maier
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