„Wer pendelt, zahlt mit Lebenszeit“

von Redaktion

INTERVIEW Experte über Landflucht und den Münchner Immobilienmarkt

München – Wer eine Immobilie sucht, hat es im Raum München schwer: Die Landeshauptstadt ist ein teures Pflaster. Wo kann man hier Eigentum erwerben, wenn man kein Multimillionär ist? Auf was muss man achten? Das erklärt Dr. Bernhard Bauer, Geschäftsführer der SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH, einem der größten Makler der Region.

Herr Bauer, Münchens Immobilienmarkt gilt als extrem schwierig. Wie ist die Lage für Käufer gerade?

Billig war es in München noch nie. Die Preise sind im letzten Jahr zwar gefallen, dafür sind die Zinsen aber höher als vor zwei oder drei Jahren. Unter dem Strich hebt sich das auf. Wer im Münchner Umland eine Doppelhaushälfte kaufen will, muss samt Nebenkosten und Kredit nach wie vor rund eine Million Euro aufbringen. Trotzdem ist die Chance auf ein Eigenheim in der Region so gut wie lange nicht mehr.

Wieso?

Es gibt immerhin wieder Angebote. Das liegt unter anderem daran, dass viele Verkäufer die gewünschten Preise für ihr Haus oder ihre Wohnung nicht mehr erzielen und die Immobilien deshalb länger als bisher auf dem Markt sind. Früher wurde alles sofort gekauft, egal, wie der Preis war. Deshalb war der Markt komplett leer gefegt. Das ist jetzt anders.

Gibt es noch genug Menschen, die sich eine Immobilie leisten können?

Ja. Man braucht zwar ein gewisses Eigenkapital. Mit dem Arbeitseinkommen allein ist es fast unmöglich, sich in München etwas Größeres für eine Familie zu finanzieren. Die Gegend ist aber sehr wohlhabend und es gibt viele Menschen, die Eigenkapital haben, etwa aus einem Erbe.

Gibt es noch Stadtviertel, die wenigstens halbwegs erschwinglich sind?

Aus unseren Verkäufen kennen wir die Durchschnittspreise im Münchner Raum gut. Tendenziell günstiger ist es im Norden oder im Westen. In Aubing oder Moosach zahlt man im Schnitt 7000 Euro für den Quadratmeter. In Feldmoching sind es 7800, in Allach 7400. Auch Langwied oder Lochhausen sind halbwegs erschwinglich.

Warum ist das so?

Die Wohnlagen sind dort nicht schlecht, im Gegenteil. Der Süden ist nur wegen der Nähe zu den Seen und den Bergen noch teurer.

Und was ist das teuerste Viertel der Stadt?

Der Herzogpark in der Innenstadt. Aber dort oder in Vierteln wie Bogenhausen werden Liebhaberpreise gezahlt. Die Leute ziehen dorthin, weil sie genau dort wohnen wollen, am besten in einem denkmalgeschützten Altbau mit Stuckdecke. Es geht um das Umfeld: Restaurants, Geschäfte, Parks, Nachbarn. Dafür legen sie ein Vielfaches des Durchschnittspreises hin.

Also lieber Plattenbau als Stuckdecke?

Das ist überspitzt, in München gib es anders als in Berlin kaum Plattenbauten. Aber tendenziell: ja. Altbau mit Stuck und Parkett, aber auch Penthouse im Neubau sind natürlich teurer.

Was ist mit beliebten Wohnvierteln wie Giesing oder Sendling?

Auch da kann man etwas finden. Die günstigeren Wohnungen liegen dort aber eher an Hauptstraßen sowie im Erd- oder Dachgeschoss.

Und Projekte wie Freiham?

Das kann eine Option sein, wenn man dort etwas bekommt. Die Frage ist: Will man in einem komplett neuen Viertel leben? So etwas gab es ja schon einmal in München: Neuperlach Süd.

Nicht gerade das charmanteste Eck der Stadt.

Die Lebensqualität scheint aber zu passen. Es gab mal eine Umfrage, in welchem Viertel sich die Münchner am wohlsten fühlen. Der Sieger war Neuperlach Süd. Das hat mich auch überrascht. Aber: Dort gibt es einen sozialen Mix und viele ältere Menschen. Die Anbindung ist gut, jeder hat Aufzug, Balkon, Parkplatz. Das ist der Vorteil solcher Neubauprojekte.

Und wie sieht es mit dem Umland aus?

Das ist eine Abwägung, nämlich Geldbeutel gegen Lebenszeit. Wer täglich in die Stadt pendelt, muss früh aus dem Haus und kommt spät heim. Da geht viel Zeit verloren. Wenn man als Familienvater oft spätabends heimkommt, heißt es dann schnell: Wer ist der fremde Mann?

Spart man dafür Geld?

Man spart schon, aber weniger, als man denkt. In Fürstenfeldbruck oder Ebersberg liegt der Quadratmeter im Schnitt bei 6000 Euro, Freising und Erding sind minimal günstiger. Die Unterschiede zur Stadt sind also nicht riesig. Dachau ist bereits ähnlich teuer wie München. In Starnberg und im Fünf-Seen-Land liegt der Quadratmeter mit 8000 Euro über vielen Münchner Vierteln. Im Umland braucht man oft ein Auto, das muss man ebenfalls gegenrechnen.

Und wenn man noch weiter rauszieht?

Da gibt es tatsächlich einen Trend dazu. Mit 4000 bis 5000 Euro ist der Quadratmeter in Ingolstadt oder Pfaffenhofen an der Ilm spürbar günstiger und es gibt eine akzeptable Zuganbindung. Ähnlich ist es in Geltendorf oder Moosburg mit 5000 bis 6000 Euro. Viel billiger wird es aber nicht – und da ist man schon weit draußen und verbringt viel Zeit in der Bahn oder im Stau.

Lohnt es sich auf dem Land, ein älteres und unsaniertes Objekt zu kaufen?

Die alten Burgen aus den 1950ern und 1960ern liegen zumindest schwerer im Regal als Neubauten. Man muss sich aber genau überlegen, ob man so etwas kauft.

Weil man die Sanierung gleich mitdenken muss?

Genau. Es gibt Sanierungspflichten, deshalb kommen Zusatzkosten auf Käufer zu. Braucht es Dämmung? Neue Fenster? Oder sogar eine neue Heizung oder Solaranlage? Da kommen schnell zehntausende Euro zusammen. Das muss man vor dem Kauf klären, am besten mit einem Energieberater, der auch einen Überblick über Fördermittel hat. Sonst wird das Schnäppchenhaus später womöglich zur Kostenfalle.

Also lieber Finger weg von älteren Häusern?

Das kann man pauschal nicht sagen. Wenn man handwerklich begabt ist und viel selbst machen kann, sind solche Immobilien finanziell durchaus interessant. Wenn nicht, muss man realistisch rechnen. In jedem Fall muss man für die energetische Sanierung noch genug Geld auf der Seite haben. Geht man so vor, kann so ein Haus aber seinen Charme haben. Schon deshalb, weil alte Immobilien oft eine bessere Lage und größere Gärten haben.

Haben Sie zum Schluss noch einen Geheimtipp?

Schauen Sie nicht nur auf Internetportalen, sondern melden Sie Ihr Interesse bei den großen Maklern an. Denn: Viele Häuser oder Wohnungen landen nie auf Immo-scout, weil sie von den Maklern vorab an Interessenten verkauft werden.

Interview: Andreas Höß

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